Infobriefe

Infobrief Juli 2020

26.06.2020

„Glück, das ist einfach eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis.“

Ernest Hemingway (1899 – 1961)

Liebe Mandanten,

liebe Geschäftsfreunde,  

weltweit ist der Alltag ein anderer geworden, seitdem ein bestimmtes Virus den Menschen als neuen Wirt für sich entdeckt hat. Doch immerhin haben wir bei seiner Eindämmung große Erfolge erzielt. Und jetzt ist der Sommer da, Bewegung an der frischen Luft weiterhin die erste Wahl, und wie wäre es vor diesem Hintergrund eigentlich mit einem Dienstfahrrad? Vielleicht läge damit auch eine kleine Tour zum Bäcker drin, um mal eben die privaten Brötchen zu kaufen? Nicht ohne weiteres. Denn wie beim Dienstwagen, ist auch beim Dienstrad steuerrechtlich einiges zu beachten. Was genau, erläutern wir in diesem Infobrief.  

Außerdem erfahren Sie mit dieser Ausgabe, wie es bei der Anpassung der Rente Ost um die Steuerbefreiung steht. Und in welchem Fall es die Verbraucherzentrale schaffte, dass aus dem Kleingedruckten ein auch ohne Lupe deutlich erkennbarer Warnhinweis wurde, verraten wir Ihnen ebenfalls auf den folgenden Seiten.  

Wir wünschen Ihnen eine informative und kurzweilige Lektüre. Haben Sie einen schönen Sommer und bleiben Sie gesund! 

Ihr Team von Wagemann + Partner

1 Auch die Werbung gehört zum Lohn

Es werden immer gute Ideen gesucht, wie man fleißigen und verdienten Mitarbeitern einen wirtschaftlichen Vorteil zu Gute kommen lassen kann, ohne dass die Progression des persönlichen Steuersatzes und dazu noch die fälligen Sozialversicherungsbeiträge bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen in unangenehmer Wirkung zur Geltung kommen. Auch weil es ein probates Mittel der Mitarbeiterbindung ist, schloss die MeineScholle GmbH aus Münster mit einer Vielzahl ihrer Mitarbeiter Mietverträge über Werbeflächen an deren privaten Fahrzeugen ab. Die Mitarbeiter verpflichteten sich auf diesem Weg, gegen ein Entgelt in Höhe von 255 Euro pro Kalenderjahr einen Kennzeichenhalter mit Firmenwerbung für die MeineScholle GmbH anzubringen. Das Finanzamt kam später bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass derartige Zahlungen ganz normal der Lohnsteuer unterliegen und nahm die MeineScholle GmbH entsprechend in Haftung.

Die sodann unvermeidliche Klage beim Finanzgericht Münster hatte keinen Erfolg. Die Richter stuften die Zahlungen an die Mitarbeiter ebenfalls als lohnsteuerpflichtig ein, weil die Autofahrer die Vergütung als Arbeitnehmer und daher im Zusammenhang mit ihrer Arbeitstätigkeit erhalten hatten. Für die Richter war nicht erkennbar, dass das betriebliche Ziel, Werbung zu betreiben, im Vordergrund stand und das Interesse der Arbeitnehmer an einer Gegenleistung dahinter zurücktrat. Außerdem kamen die Richter zu dem Schluss, dass keine Rechtsbeziehung vorlag, die losgelöst vom Dienstverhältnis als marktgerechtes entgeltliches Geschäft bestanden hätte. Denn die geschlossenen Verträge enthielten keinerlei Vorgaben, um einen werbewirksamen Einsatz des jeweiligen Autos sicherzustellen. Auch wurde nicht geregelt, ob an dem Fahrzeug noch Werbung für andere Firmen angebracht werden durfte.

Somit bleibt zunächst die Feststellung, dass die Umsetzung der Idee „Mitarbeiter werben Kunden“ momentan (noch) etwas holprig ist. Die Richter vom Finanzgericht Münster gaben aber zumindest eine Hilfestellung, wie das Vertragsverhältnis mit den Mitarbeitern im Zweifel aussehen sollte. Für die MeineScholle GmbH und das zuständige Finanzamt ist die Angelegenheit noch nicht ausgestanden: Das Verfahren ist jetzt beim Bundesfinanzhof anhängig.

2 Der Totalverlust im Kleingedruckten

Bei dem Fall, über den wir in diesem Beitrag berichten möchten, sind die beiden Akteure ausnahmsweise bekannt. Das liegt daran, dass sie mit ihren jeweiligen Positionen an die Öffentlichkeit gegangen sind, um eine möglichst breite Unterstützung zu bekommen.

Einer der Akteure ist die Exporo AG. Ihr Geschäft besteht im Wesentlichen darin, Kleinanleger bei der Finanzierung ihrer Immobilienprojekte zu unterstützen. Wer nicht gleich ein ganzes Häuschen haben möchte, dem wurde (und wird) unter dem markigen Werbeslogan „Echte Werte. Einfach investiert.“ angeboten, sich an einer offenen Immobilienfinanzierung zu beteiligen. Um dieses Finanzprodukt noch besser an die vielen potentiellen Investoren zu bringen, wird auf der Homepage der Exporo AG, bei Youtube und überall im Internet ein buntes Video verbreitet: Ein junger, dynamischer Mann mit leicht angegrautem Vollbart sitzt mit einer alle komischen Klischees bedienenden Minderjährigen am Frühstückstisch und erfährt von einem anderen jungen, dynamischen Herrn, der keine grauen Haare im Bart hat, dafür aber von einer ihn anhimmelnden Brünetten und einem steifen Schlipsträger eskortiert wird, dass die Anlage eine jährliche Rendite von 6 Prozent hätte.

Wie gewünscht, haben sich tatsächlich viele Leute die Videos angesehen, so auch der andere Akteur in diesem Fall: Vertreter des Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), die es sich ohnehin zur Aufgabe gemacht hatten, den Markt der Immobilienfinanzierer zu beobachten. Als sie sich besagtes Video anschauten, fiel ihnen auf, dass zwei Sekunden lang in winziger Schrift ein merkwürdiger Text eingeblendet wurde. Pausentaste und Vergrößerungsglas brachten die Erkenntnis, dass es ein Warnhinweis war, denn die bei den Kleinanlegern eingesammelten Gelder sollten als Darlehen an Immobilien-Projektentwickler gegeben und im Grundbuch nur nachrangig besichert werden. Anders ausgedrückt: Bei einer Insolvenz des Immobilienprojektes – was ja durchaus hin und wieder mal vorkommt – droht den Anlegern der Totalverlust ihres Geldes.

Der vzbv sah sich nun Kraft seiner Statuten veranlasst, auf die Exporo AG einzuwirken, diese Art der Werbung zu unterlassen. Dazu holte er sich Unterstützung beim Landgericht Hamburg. Die Richter hatten keine Alternative, als dem vzbv hier Recht zu geben, denn das Vermögensanlagengesetz schreibt eindeutig vor, dass die Verbraucher ordentlich und verständlich über Risiken und Nebenwirkungen zu belehren sind. Somit wurden die Videos der Exporo AG zu diesem Produkt angepasst, denn in der heutigen Version steht während der gesamten Laufzeit und gut lesbar der Text: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“

3 Das Dienstfahrrad im Steuerrecht

Es muss ja nicht immer der „dicke“ Dienstwagen sein. Ein schönes Dienstfahrrad, gern auch mit elektrischer Unterstützung, ist auch nicht schlecht und wird ohne Zweifel bei vielen Berufstätigen immer beliebter. Aber so einfach ist das natürlich nicht: Fahrrad kaufen, als Betriebsausgabe absetzen und dann losradeln, um die privaten Brötchen zu kaufen. Nein, dann muss – wie bei einem Auto auch – der private Nutzungsanteil des Rades irgendwie berücksichtigt werden.

Bei den verbrennungsmotorisierten Fahrgelegenheiten besteht grundsätzlich die Wahl zwischen der Fahrtenbuch- und der pauschalen sogenannten 1-Prozent-Methode. Weil es keine technischen Systeme gibt, die verlässlich und nachweisbar jeden zurückgelegten Kilometer dokumentieren können, entfällt die Fahrtenbuchmethode bei der Fahrradnutzung leider vollständig.

Also bleibt keine andere Möglichkeit (wenn man schon unbedingt den privaten Nutzungsanteil einer Fahrradnutzung ermitteln möchte), als ebenfalls auf eine typisierende Pauschalisierung zurückzugreifen. Und was ist dabei gegenüber den Kraftfahrzeugen gerechter, als auch die 1-Prozent-Methode zu verwenden? Somit gilt die amtliche Festlegung, dass als Durchschnittswert der privaten Verwendung des betrieblichen Drahtesels monatlich mit 1 Prozent die auf volle 100 Euro abgerundete unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer zu berücksichtigen ist.

Damit soll dann aber auch alles Private abgegolten sein – also nicht nur das lustvolle Herumradeln, sondern auch die Wege zwischen Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte sowie im Zweifel auch die Familienheimfahrten.

Zu Beginn des Jahres hatten die obersten Finanzbeamten ein Herz für Radfahrer und beschlossen, dass im Jahr 2019 nur die Hälfte dieses Nutzungswertes und ab 2020 sogar nur ein Viertel als Nutzungsvorteil bei der Ermittlung der Lohnsteuer zu berücksichtigen ist. Allerdings soll diese Regelung nur gelten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Fahrrad erstmals nach Dezember 2018 und vor Januar 2031 überlässt. Wie alt das Fahrrad ist, ist dabei unerheblich; es muss dem Mitarbeiter aber neu hingestellt worden sein.

Welcher politische Wille mit dieser Regelung erreicht werden soll, ist nicht so einfach zu erahnen. Aus der Formulierung des Verwaltungserlasses lässt sich aber wenigstens herauslesen, dass die Erleichterung wohl auch gelten soll, wenn statt des alten ein neues Fahrrad hingestellt wird.   Der Erlass gilt übrigens auch für Elektrofahrräder, wenn diese verkehrsrechtlich als Fahrrad einzuordnen sind, also zum Beispiel keine Kennzeichen- und Versicherungspflicht besteht. Ob die Regelungen nicht nur für die Lohnsteuer, sondern auch für die Umsatzsteuer gelten, ist allerdings noch abzuwarten. Bei Elektroautos jedenfalls ist es nicht so.

4 Keine Anerkennung der Rechtsprechung – durch das Finanzamt

Ein wichtiger Baustein für das Fundament der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist bekanntlich das Dreigestirn von Legislative, Exekutive und Judikative. Wenn sich eine natürliche oder eine juristische Person irgendwie in ihren Rechten durch die Exekutive, also beispielsweise konkret durch die Finanzverwaltung, eingeschränkt sieht, dann soll sie auch Grund zur Klage haben. Die Finanzgerichte sollen über die Auslegung der Steuergesetze entscheiden, wenn zwischen dem Finanzamt und einem Steuerpflichtigen ein Streit darüber entbrannt ist, wie viel Steuern zu zahlen sind. Haben sich alle an die Regeln gehalten, müssen sich hinterher auch alle daran halten, was die Gerichte entschieden haben. Und so sollte es ausnahmslos funktionieren.

Im Laufe des Jahres 2019 nun hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass das im Einkommensteuergesetz beschriebene Merkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ auch durch eine Gehaltsumwandlung erfüllt werden kann. Den Richtern zufolge ist es also nicht erforderlich, dass sich der Gesamtlohn erhöhen muss. Entscheidend ist lediglich, dass die Zusatzleistung für einen bestimmten, steuerlich begünstigten Zweck verwendet wird, also zum Beispiel für die Gesundheitsförderung.

Nach den oben beschriebenen Regeln müsste es nun so sein, dass die Finanzverwaltung sagt: „Nun ja, wir haben das Gesetz bisher anders verstanden, aber wenn die Richter des Bundesfinanzhofs so entscheiden, dann werden auch wir uns daran halten.“ Aber das wahre Leben funktioniert dieses Mal anders: Die Vertreter des Bundesfinanzministeriums haben verkündet, sich nicht an das Urteil halten zu wollen. Vielmehr muss es sich – weiterhin – um eine echte zusätzliche Leistung handeln, damit dann für diese Zusatzleistung die jeweilige Steuerfreiheit gewährt werden kann.

Im Einzelnen fordert das Bundesfinanzministerium: Die vom Arbeitgeber gewährte Leistung darf nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet werden, der Anspruch auf Arbeitslohn darf nicht zugunsten der Zusatzleistung gemindert werden, die Zusatzleistung darf nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt werden, bei Wegfall der Zusatzleistung darf sich der Arbeitslohn nicht erhöhen und auch auf die Tarifgebundenheit des Arbeitslohns kommt es nicht an.

Dieser Zustand ist natürlich völlig unbefriedigend. Für einen betroffenen Arbeitgeber wäre es vor dem Finanzgericht ein Leichtes, die Rechtsprechung für sich umzusetzen. Das ist auch der Finanzverwaltung klar, und so lässt sie wissen, dass das Einkommensteuergesetz ohnehin geändert wird, und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2020. Ob diese Rückwirkung nun wieder mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist, muss man sich dann allerdings auch erst einmal anschauen.

Das Thema wird dadurch spannend gehalten, dass der Gesetzgeber mit dem Referentenentwurf zum sogenannten Grundrentengesetz bereits einen (unterdessen missglückten) Versuch unternommen hat, das Einkommensteuergesetz entsprechend zu ändern. Im derweil vorliegenden Regierungsentwurf des Grundrentengesetzes war dieses rentenfremde Thema wieder vollständig verschwunden.

5 Gemeinnützigkeit und politische Meinungsbildung

Wer mit seinem Geld Gutes tun will, dem geben die Gesetze die Möglichkeit, damit auch die persönliche Steuerlast zu reduzieren. Bei den Zielobjekten gibt es selbstredend Unterschiede, und um drohenden Missbrauch zu vermeiden, müssen Regeln eingehalten werden. Wenn es darum geht, bedürftige Menschen zu unterstützen, kann man sich an Körperschaften wenden, die mildtätige Zwecke verfolgen, und für das religiöse Wohl gibt es die Kirchen. Wer im Großen oder im Kleinen an der politischen Willensbildung teilnehmen möchte, kann dies über die politischen Parteien tun. Für alles andere, was es sonst noch an Gutem zu tun gibt, besteht das weite Feld der Gemeinnützigkeit.

Da der Begriff der Gemeinnützigkeit für sich allein wiederum viel zu unbestimmt ist, gibt es in der Abgabenordnung, also in dem Gesetz, das die „Spielregeln“ im Steuerrecht regelt, eine wirklich lange Liste von möglichen gemeinnützigen Themen. Alle Personengruppen, die beabsichtigen, einen gemeinnützigen Verein oder eine gemeinnützige Stiftung zu gründen, sind gut beraten, wenn sie sich bei der Formulierung ihrer Satzung ein oder zwei Punkte aus dieser Liste in der Abgabenordnung heraussuchen und so zitieren. Im dann folgenden Absatz der neuen Satzung kann man den eigenen Ideen Zucker geben, wenn sie mit den folgenden Worten eingeleitet werden: „Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch…“.

Die einleitenden Erläuterungen sind notwendig, um zu verstehen welche Probleme der Verein „Attac Trägerverein e.V.“ mit der Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit für die Jahre 2010 bis 2012 hat. In der Satzung hatte der Verein sich nicht auf einzelne Themen aus der Abgabenordnung konzentriert, sondern eher wie ein Breitband-Antibiotikum die Erfüllung der folgenden Ziele angestrebt: „Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung. Der Verein fördert die Völkerverständigung und den Frieden.“

Die tatsächliche Arbeit im wirklichen Vereinsleben war noch breiter aufgestellt: Medienwirksam startete man Aktivitäten zur Finanz- und Wirtschaftskrise, zur Besteuerung von Finanzmärkten, der Umverteilung von Reichtum, einer Finanztransaktionssteuer, zu Steuern gegen Armut, zur Spekulation mit Lebensmitteln, zur Regulierung der Finanzmärkte, zur Finanzmarkttagung Geld, zum Bankentribunal, zu Geschäftspraktiken von Banken, dem Wechsel der Hausbank („Krötenwanderung“), zum Arabischen Frühling, zum Aktionstag Banken, zur Krise des Euros und der Finanzmärkte, zum europaweiten Sozialabbau, zu den Wegen aus der Krisenfalle, zur Umverteilung (finanzieller Mittel), zur feministischen Ökonomie – und auch Blockupy, Public Private Partnerships, die Atomwirtschaft, das unbedingte Grundeinkommen, der Klimaschutz, globale Klimagerechtigkeit, alternative Formen des Lebens und Wirtschaftens, ökologische Nachhaltigkeit durch umweltfreundliche Textilproduktion, „Stuttgart 21“ sowie nicht zuletzt die „30-Stunden-Woche“ waren Themen des Vereins.

Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich das Finanzamt weigerte, die Gemeinnützigkeit des Vereins weiter anzuerkennen. Bei der daraufhin fälligen Klage beim Hessischen Finanzgericht hatte Attac in der ersten Rechtsschleife sogar den gewünschten Erfolg. Dieses Urteil wurde im Januar 2019 vom Bundesfinanzhof allerdings wieder kassiert und an das Finanzgericht zurückgegeben. Mit der Rückgabe verbunden war die Auflage, noch einmal genauer zu prüfen, ob die Begriffe „Volksbildung“ (worunter auch die politische Bildung fällt) und „demokratisches Staatswesen“ im Sinne der Abgabenordnung vom Verein ordentlich interpretiert wurden.

In diesem zweiten Rechtsgang im Februar 2020 haben die Richter des Finanzgerichts nun unter Beachtung der vom Bundesfinanzhof aufgestellten Kriterien die Gemeinnützigkeit verneint und die Klage damit endgültig abgewiesen. Die Entscheidung begründet sich damit, dass nicht alle Aktivitäten und Maßnahmen des Attac Trägerverein e.V. zumindest einem übergeordneten gemeinnützigen Zweck zugeordnet werden können. Vielmehr ging es vorrangig darum, konkrete politische Forderungen aufzustellen, die von den in der Satzung genannten gemeinnützigen Zwecken nicht erfasst sind.

Attac hat also mit anderen Worten den Fehler begangen, sich als politische Organisation zu sehen … und hat dies dann auch noch vor Gericht vertreten. Wie eingangs beschrieben, gibt es für politische Aktivitäten die politischen Parteien. Das hindert gemeinnützige Körperschaften natürlich nicht daran, sich zur Umsetzung des Satzungszwecks auch (!!!) politisch in der Öffentlichkeit zu äußern. Aber auch das stand kurz nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs zur Debatte, als im Bundesfinanzministerium laut darüber nachgedacht wurde, das Gemeinnützigkeitsrecht so zu verändern, dass Vereine bei politischen Äußerungen ihre Gemeinnützigkeit verlieren könnten. Diese Überlegungen wurden in Wochenfrist wieder aufgegeben, als die Vereinslandschaft zum Sturm der Entrüstung ansetzte.

6 Keine Steuerfreiheit für die Anpassung der Rente Ost

Zu den Unterschieden, die es über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung zwischen Ost- und Westdeutschland noch gibt, gehören die Altersrenten – auch wenn sich diese Unterschiede bereits erheblich abgebaut haben. Da die Durchschnittseinkommen im Osten unter denen im Westen liegen, gibt es derzeit noch den aktuellen Rentenwert (Ost). Seine Anpassung richtet sich nach der Lohnentwicklung in Ostdeutschland. Seit dem 1. Juli 1991 ist der aktuelle Rentenwert (Ost) von umgerechnet 10,79 Euro auf aktuell 30,69 Euro gestiegen. Im gleichen Zeitraum hat sich der aktuelle Rentenwert im Westen von 21,19 Euro auf 32,03 Euro erhöht. Das Verhältnis zwischen dem aktuellen Rentenwert (Ost) und dem aktuellen Rentenwert im Westen hat sich damit von rund 51 Prozent auf 95,8 Prozent verbessert. Der Rentenwert (Ost) liegt momentan noch 4,2 Prozent unter dem Rentenwert im Westen.

So viel zu den Einnahmen der Rentnerinnen und Rentner, nun zu den Steuern: Seit 2005 unterliegt die Altersrente der nachgelagerten Besteuerung, das heißt, die Einzahlungen in die Rentenkasse sollen im Grundsatz von der Einkommensteuer befreit werden. Wenn dann die Rente ausgezahlt wird, soll sie „ganz normal“ besteuert werden. Da in der Zeit bis zum Jahr 2004 genau das Gegenteil galt, musste es logischerweise eine Übergangslösung geben, die in Form von individuellen Freibeträgen umgesetzt wurde. Dieser Rentenfreibetrag berechnet sich nach dem Bezug im ersten vollständigen Renten-Kalenderjahr. Für die sogenannten Bestandsrentner, also diejenigen, die schon vor dem Jahr 2005 das nötige Alter für das Rentnerdasein hatten, beträgt der individuelle Freibetrag genau 50 Prozent der Rente im Jahr 2005. Bei denen hingegen, die erst im Jahr 2006 Jung-Rentner wurden, liegt der steuerfreie Anteil bei 48 Prozent und für jedes weitere Jahr des späteren Rentenstarts verringert sich dieser Satz um jeweils zwei weitere Prozentpunkte, bis er im Jahr 2040 bei null angelangt ist. Die so ermittelten Freibeträge gelten betragsmäßig bis zum Lebensende, und somit sind regelmäßige Anpassungen, also konkret die jährlichen Rentenerhöhungen, quasi von der Steuerbefreiung befreit.

Als nun die Eheleute und Bestandsrentner Hanny und Harald Petter aus Sachsen die frisch gedruckten Einkommensteuerbescheide für 2014 und 2015 in der Hand hielten, stellten sie aufgrund dieser beiden Rechtsentwicklungen messerscharf fest, dass sie im Vergleich zu gleich alten Rentnern in den sogenannten alten Bundesländern mit gleich hoher Altersrente mehr Einkommensteuer zahlen mussten. Das bald angeführte Gegenargument, dass sie ja im Vergleich zu den West-Kollegen eine deutlich größere Rentensteigerung genießen konnten, ließen die Petters nicht gelten. Schließlich hatten sie ja einfach vorher weniger bekommen, und die Rentenerhöhungen seit 2005 setzen sich zusammen aus den Rentenanpassungen, die alle deutschen Rentner bekommen, und der Angleichung der Rente Ost an die Rente West. Mit diesen Argumenten gerüstet, schlugen die Petters den Finanzrechtsweg bis zum Bundesfinanzhof ein, um die Steuerfreiheit der Rentenangleichung durchzusetzen.

Auch wenn die Petters schlüssig argumentiert hatten – beim Bundesfinanzhof hatten sie dennoch keinen Erfolg mit ihrer Klage, denn reguläre Rentenerhöhungen führen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu einer Erhöhung des Rentenfreibetrags. In beiden Fällen kommt den regulären Rentenerhöhungen die soziale Funktion zu, die Stellung des Rentners im jeweiligen Lohngefüge zu erhalten und fortzuschreiben. Wie bei einer Wertsicherungsklausel wird lediglich die Werthaltigkeit dieser Renten dynamisiert. Im Fall der Anpassung des aktuellen Rentenwertes (Ost) erfolgt das eben bezogen auf das Lohngefüge des Beitrittsgebietes. Bei ihrer juristischen Betrachtung konnten die hohen Richter des Bundesfinanzhofs auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen den Altersrenten erkennen.

Übrigens ist diese Rentenangleichung nicht mit dem Fall der Mütterrente zu vergleichen, denn hier werden im Gegensatz dazu neue Entgeltpunkte aufgrund der Kindererziehung gewährt.

7 Ausnahmsweise: Krankheitskosten als Werbekosten

Auf dem Weg zu ihrer wochentäglichen Arbeit hatte Helga Havelpaff im Februar 2013 mit ihrem Auto einen schweren Verkehrsunfall, bei dem sie arge Verletzungen in Gesicht und Nase erlitt. Wenige Tage nach dem Unfall erfolgte eine Nasenbeinreposition, die allerdings nur bedingt erfolgreich war. Im Rahmen einer klinischen Untersuchung im März 2014 nämlich wurden bei Havelpaff ein asymmetrisches, verbreitertes Nasenbein, ein sehr unebener knöcherner Nasenrücken und eine Absenkung des knorpeligen Nasenkomplexes diagnostiziert.

Die Kosten für die zwei daraufhin nötig gewordenen Operationen übernahm die zuständige Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach den für den Sozialversicherungsträger geltenden Sätzen entsprechend der Fallpauschale. Alle darüberhinausgehenden Kosten für die Nasen-OP musste Havelpaff aus eigener Tasche zahlen. Diese Aufwendungen des Wegeunfalls machte sie dann neben weiteren Behandlungs- und damit in Zusammenhang stehenden Fahrtkosten (insgesamt 2.402 Euro) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend – was vom Finanzamt rundheraus abgelehnt wurde.

Tatsächlich gilt der Grundsatz, dass die Gesundheit grundsätzlich ein privates Problem ist. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Kosten für die Erhaltung und Beschaffung der Gesundheit bei der Ermittlung der Einkommensteuer allenfalls als sogenannte Außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Diese feste Verdrahtung in den privaten Bereich gilt insbesondere dann, wenn es – wie im Falle von Helga Havelpaff – „nur“ um das Aussehen und die Schönheit geht. Außerdem spricht gegen Havelpaffs Ansinnen noch, dass es für die Bewältigung der Strecke zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte bekanntlich die Entfernungspauschale in Höhe von 30 Cent je Entfernungskilometer gibt, mit der alle Kosten abgegolten sein sollen. Genau so sahen den Fall dann auch die Richter des zunächst angerufenen Finanzgerichts Baden-Württemberg.

Die Richter des Bundesfinanzhofs hingegen erkannten im Dezember 2019 die unfallbedingten Krankheitskosten als Werbungskosten an. Bezogen auf die Entfernungspauschale stellten die Richter fest, dass sie nur für die „echten“ Wegekosten gilt, also für sämtliche fahrzeug- und wegstreckenbezogenen Aufwendungen, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind. Dazu gehören zwar auch Kosten für die Reparatur des verbeulten Autos nach einem Unfall, aber nicht die Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Wegeunfall zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind.

Die Diskussion, was in der Entfernungspauschale enthalten ist und was nicht, ist ein echter Dauerbrenner. Eigentlich hätte Havelpaffs Fall gar nicht beim Gericht landen dürfen, denn aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sagen die internen Richtlinien der Finanzverwaltung, dass Unfallkosten grundsätzlich nicht in der Entfernungspauschale enthalten sein sollen. Wie die Begründung zu diesem Urteil zeigt, sehen die Finanzgerichte das nicht so eindeutig zugunsten der Steuerpflichtigen. Dieser Zustand ist an Rechtsunsicherheit nicht zu überbieten. Dafür besteht (nun) die volle Rechtssicherheit in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden. Entsprechendes gilt für andere nicht fahrzeug- oder wegstreckenbezogene Schäden anlässlich eines Unfalls, wie zum Beispiel der Ersatzbeschaffung für bürgerliche Kleidung, der Brille oder auch der neuen Christophorus-Plakette.

8 Betriebsprüfung auch in der Kirche

Die katholische Kirche in der ehrwürdigen Stadt Münster unterhält ein eigenes Reisebüro, und wer sich ein wenig mit dem Reisen als Gewerbe auskennt, weiß, dass in dieser Branche der sichere Umgang mit der Umsatzsteuer nicht trivial ist. Es ist nicht bekannt, ob es Anlass zum Zweifel an der steuerlichen Zuverlässigkeit des kirchlichen Reisebüros gab, jedenfalls entschloss sich das Finanzamt Münster bei dem Reisebüro eine Umsatzsteuersonderprüfung anzusetzen. Im Zusammenhang mit der Adressierung dieser Sonderprüfung entstand ein interessanter Streit zum Verfahrensrecht, bei dem am Ende auch noch die Richter des Bundesfinanzhofs bemüht wurden.

Der umsatzsteuerliche Unternehmer des Reisebüros ist – natürlich – die Kirche insgesamt, auch wenn sie gesetzesgemäß nur im Rahmen ihrer sogenannten „Betriebe gewerblicher Art“ unternehmerisch tätig werden kann. Jedenfalls forderte die Kirche zuerst vom Finanzamt und dann von den Finanzgerichten, dass sich die Prüfungsanordnung nicht pauschal gegen die gesamte Kirche, sondern nur gegen das Reisebüro allein richtet.

Das Urteil der Finanzgerichte war einheitlich und eindeutig: Die Betriebsprüfung kann im Zweifel nicht nur auf den Betrieb eingeschränkt werden, sondern sie betrifft die Aktivitäten und die Bereiche der gesamten Kirche. Nach Feststellung der Richter des Bundesfinanzhofs wird damit auch nicht das im Grundgesetz kodifizierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht verletzt, das den Kirchen die Freiheit garantiert, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten. Denn dieses Selbstbestimmungsrecht sieht nicht vor, dass Religionsgesellschaften bei Leistungen an andere von einer Belastung mit Umsatzsteuer verschont werden. Es liegen eben keine „rein inneren kirchlichen Angelegenheiten“ vor, für die ein staatliches Gesetz für die Kirche überhaupt keine Schranke ihres Handelns bilden kann.

Immer positiv denkend, muss man als Zuschauer zu diesem Fall natürlich davon ausgehen, dass die betreffende Kirche sich allein aus grundsätzlichen Überlegungen heraus so sehr gegen den Umfang der Prüfungsanordnung gewehrt hat und diese Rechtsfrage einfach mal ordentlich beantwortet haben wollte.

9 E wie … … Entfernungspauschale

Eigentlich steht es nicht zur Diskussion, dass alle Kosten, die mit der Erzielung von Einkünften im direkten Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung der Steuern als Betriebsausgaben bzw. als Werbungskosten abgezogen werden können. Dabei gibt es wohl nur wenige Kostenkategorien, die so emotional und politisch belastet sind, wie die Bewältigung der Strecke von der Wohnung bis zur ersten Tätigkeitsstätte.

Bei normalen Dienstreisen werden „einfach“ die Kosten berücksichtigt, die angefallen sind. Wenn der Berufstätige mit dem privaten Auto unterwegs war, können zur Vereinfachung 30 Cent je tatsächlich zurückgelegten Kilometer berücksichtigt werden. Ist der fahrbare Untersatz ein Motorrad oder ein Moped, können 20 Cent notiert werden. In früheren Zeiten gab es noch gesonderte Beträge für Beifahrer, Kleintransporter oder Radfahrer, doch die sind wegrationalisiert worden.

Bei der Berücksichtigung der Wegstrecken für Berufspendler möchte der Gesetzgeber einerseits positive ökologische Signale senden und die Berufstätigen mehr oder weniger sanft dazu überreden, auf kürzere Wege oder auf den öffentlichen Personennahverkehr auszuweichen. Bei der nächsten Erhöhung der Energiesteuer wird dann andererseits nach Möglichkeiten gesucht, die Berufspendler als Kompensation zu entlasten.

Jedenfalls gilt aktuell die gesetzliche Regelung, dass jeder Berufstätige einen Betrag in Höhe von 30 Cent für jeden Arbeitstag und für jeden vollen (einfachen) Entfernungskilometer zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte bei seiner Steuerberechnung berücksichtigen darf. Dabei ist unerheblich, welches Verkehrsmittel er nutzt. Im Jahr 2021 soll diese Pauschale auf 35 Cent steigen. Im Falle bestimmter körperlicher Beeinträchtigungen können bereits heute die tatsächlichen Kosten oder die Entfernungspauschale in Höhe von 60 Cent angesetzt werden.

Es gibt allerdings auch Kolleginnen und Kollegen, die sehr weit weg von der Arbeit wohnen. Wenn sich dann der Jahresbetrag durch die Entfernungspauschale auf mehr als 4.500 Euro addiert, kann der übersteigende Betrag nur bei Verwendung eines Autos steuerlich geltend gemacht werden. Die Freunde des ÖPNV sind damit nur scheinbar benachteiligt, denn üblicherweise kosten die Jahrestickets weniger. Für den Fall, dass es trotzdem nicht reicht, können dann wieder die tatsächlichen Kosten hervorgeholt werden.