Infobriefe

Infobrief Juni 2021

15.06.2021

„Gibt es schließlich eine bessere Form mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?“

Charles Dickens (1812 – 1870)

Liebe Mandanten,

liebe Geschäftsfreunde,

es ist geschafft: Nach mehr als einem Jahr verlieren die Corona-Liveticker der Nachrichtenseiten an Dringlichkeit, das Land ist aus dem Dauer-Lockdown erwacht. Nach und nach kehren alte, lang vermisste Gewohnheiten ins Leben zurück, Video-Chats werden seltener und ein echtes Miteinander ist wieder häufiger möglich. Der Sommer verspricht entspannt zu werden.

Da darf unterhaltsam-informative Lektüre natürlich nicht fehlen. Wir haben daher in diesem Infobrief wieder einiges zusammengetragen, das für Sie von Interesse sein könnte. Denn wissen Sie zum Beispiel, wie es beim Laden von Elektroautos mit Steuervergünstigungen aussieht? Sie erfahren es auf den folgenden Seiten. Außerdem stellen wir Ihnen einen Fall vor, in dem über Ausbildungskosten entschieden werden musste: Sonderausgaben oder Werbungskosten? Das war hier die Frage. Und selbstverständlich haben wir – das muss in diesem Sommer sein – auch einen Beitrag zu großen Fußball-Wettbewerben im Angebot. Mancher Ticket-Deal ist nämlich ein Fall für die Steuer…

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen. Genießen Sie den Sommer!

Ihr Team von Wagemann + Partner

1 Ticket-Dealer: Ein Fall für die Steuern

Wenn bei Sportveranstaltungen grandiose und herausragende sportliche Leistungen zu erwarten sind, hört man immer wieder, dass mit den Tickets auf dem Schwarzmarkt horrende Preise erzielt werden. Die Veranstalter finden das nicht so schön, und ganz legal wird es auch nicht immer sein. Aber das passiert eben, wenn die Nachfrage (deutlich) größer ist als das Angebot.

Genau so war es auch beim Finale der UEFA Champions League am 6. Juni 2015 in Berlin. Wer erinnert sich nicht daran, als Neymar mit sportlicher und nicht mit schauspielerischer Leistung in der 7. Minute der Nachspielzeit nach einem Konter den gegnerischen Torwart Buffon tunnelte und so mit seinem 3:1 für den FC Barcelona den Sieg gegen Juventus Turin klarmachte.

Voller Vorfreude auf dieses Spiel hatte sich damals Gregor Gäul aus Baden-Württemberg an einer Auslosung beteiligt, um zwei der 24.500 Tickets zu bekommen, die direkt von der UEFA vergeben wurden. Tatsächlich hatte Gäul Glück, denn im April 2015 bekam er die gewünschten Tickets zugelost. Dafür wurden ihm 330 Euro in Rechnung gestellt.

Zu dieser Zeit befand sich mit Bayern München auch noch eine deutsche Mannschaft aussichtsreich im Halbfinale. Als die Bayern allerdings am 12. Mai 2015 gegen den FC Barcelona das verlorene 0:3 aus dem Hinspiel nicht mehr aufholen konnten und so aus dem Wettbewerb flogen, hatte Gäul keinen Spaß mehr an seinen Eintrittskarten und bot sie über ein Internetportal zum Weiterverkauf an. Selbstredend fand sich ein Interessent, und dieser (mutmaßlich norditalienische) Herr war bereit, schlappe 3.000 Euro für die Tickets hinzublättern (abzüglich 97 Euro Gebühren für das Internetportal).

Gäul ging davon aus, dass der Gewinn aus dem Weiterverkauf nicht der Einkommensteuer unterliegt, aber weil er sicher gehen wollte, informierte er das Finanzamt im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung über das Geschäft. Nicht ganz überraschend hatte die Behörde eine andere Meinung. Der allerdings widersprach das Finanzgericht Baden-Württemberg in der ersten Instanz, weil die Eintrittskarten „Wertpapiere“ seien, deren Handel allenfalls Kapitalerträge sein könnten, es aber nicht sind, da eine entsprechende Regelung im Einkommensteuergesetz fehlt.

Diese Lösung des Falles führte quasi zwangsläufig zur Involvierung des Bundesfinanzhofs. Dessen Richter kassierten das Urteil des Finanzgerichts wieder und bestätigten den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts.

In der Urteilsbegründung kamen die Richter des Bundesfinanzhofs zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Weiterverkauf der Tickets doch um ein privates Veräußerungsgeschäft handelt, das steuerpflichtig wird, wenn ein privates Wirtschaftsgut innerhalb eines Jahres gekauft und wiederverkauft wird. Dafür kommen sämtliche vermögenswerten Vorteile in Frage, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind. Somit zählen dazu auch die UEFA-Champions-League-Tickets, mit denen Gäul das verbriefte Recht auf Zutritt zum Stadion und den Besuch des Fußballspiels an dem auf dem Ticket angegebenen Tag erworben hatte.

Das Urteil des Bundesfinanzhofs ist inhaltlich nicht ganz überraschend, allerdings war die Lösung des Finanzgerichts auch nicht weit hergeholt. Diese Rechtsfrage war eigentlich längst überfällig, einmal geklärt zu werden, und wenn 2020 die vielen sportlichen Höhepunkte so stattgefunden hätten, wie sie ursprünglich geplant waren, hätte das Urteil bereits deutlichere Spuren hinterlassen.

Man darf wohl davon ausgehen, dass die Finanzverwaltung zeitnah an die einschlägigen Ticketplattformen im Internet die gesetzlich möglichen Sammelauskunftsersuchen stellen wird. Damit werden die Internet-Händler wieder denjenigen gegenüber benachteiligt, die vor dem Stadion stehen und die Tickets in den Himmel heben. Ob dieses Erhebungsdefizit wiederum rechtens ist, ist allerdings eine andere Frage und vielleicht einmal Inhalt eines anderen Beitrages.

2 Master of Desaster für die Sonderausgaben

Es gibt Themen im Steuerrecht, die scheinen kein Ende zu finden. Ein wunderbares Beispiel dafür ist die Frage der Berücksichtigung von Ausbildungskosten als (vorweggenommene) Werbungskosten bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Geschichte begann vor fast 20 Jahren, als ein Student auf die Idee kam, seine Studienkosten über das Kalenderjahr hinweg zu sammeln, jede Fahrt zur Hochschule oder zur Bibliothek aufzuschreiben und alle Zahlen in eine Einkommensteuererklärung zu gießen. Nachdem der Bundesfinanzhof dies mit seiner Rechtsprechung auch noch unterstützte, wurde der Gesetzgeber aufgeregt. Er musste befürchten, dass jetzt alle Studenten ihre Studienkosten sammelten und als Verluste erklärten.

Um das zu verhindern, änderte der Gesetzgeber das Einkommensteuergesetz, sodass Ausbildungskosten nur noch höchstens zu 4.000 Euro als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen. Diese Lösung ist für den Gesetzgeber deshalb so elegant, weil die Sonderausgaben seit dem Jahr 2001 wirkungslos verpuffen, wenn sonst keine Einkünfte zu verzeichnen sind.

Man kann sich leicht vorstellen, dass damit der Startschuss für neuerliche Fachdiskussionen gefallen war. Zuerst musste geklärt werden, worin eigentlich der Unterschied zwischen Ausbildungs- und Fortbildungskosten besteht, denn letztere sollten natürlich weiterhin als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abzugsfähig sein. Nach entsprechenden Urteilen des Bundesfinanzhofs besserte der Gesetzgeber nach: Nur die Kosten der Erstausbildung sollen Sonderausgaben sein; alles andere soll weiterhin als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Nun ging die Diskussion in die nächste Runde: Wann ist die Erstausbildung beendet? Auf diese Frage hin entwickelte sich die Fachmeinung, dass es auf den (ersten) Berufswunsch ankommt. Wenn der erreicht ist, dann ist die Erstausbildung zu Ende. Allerdings folgte nun wieder ein Urteil des Bundesfinanzhofs, das bei der Abgrenzung vielleicht hilfreich sein könnte, sonst aber eher für Verwirrung sorgt.

Jenny Wieselei aus Düsseldorf studierte nach ihrem im Jahr 2003 abgelegten Abitur Psychologie an der Universität in Melbourne und erhielt im Juli 2006 den Abschluss „Bachelor of applied science“. Am 1. Oktober des Streitjahres nahm sie ein Masterstudium der Neuro- und Verhaltenswissenschaften an einer deutschen Universität auf. In ihrer Steuererklärung für dieses Jahr machte Wieselei Studienkosten in Höhe von insgesamt 17.328 Euro geltend. 5.937 Euro davon wurden vom Finanzgericht Düsseldorf als ordnungsgemäß durchgewunken. Doch damit war das Finanzamt nicht einverstanden und bemühte daher den Bundesfinanzhof.

Die hohen Richter führten sich Formulierungen des Einkommensteuergesetzes zu Gemüte, demzufolge Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder ein Studium nur dann Werbungskosten sind, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn Berufsausbildung oder Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Das gilt dann als erledigt, wenn diese erste Ausbildung abgeschlossen ist. Gehört zu dieser Berufsausbildung auch ein formaler Abschluss durch eine Prüfung, ist auch dieser Teil der Berufsausbildung und erst mit deren Bestehen die Berufsausbildung abgeschlossen.

Auf dieser Rechtsgrundlage stellten die Richter fest, dass Wieselei mit dem Bestehen des Bachelor-Studiengangs ein Erststudium abgeschlossen hatte. Ihre Aufwendungen für das Master-Studium waren also offenbar beruflich veranlasst und können damit auch berücksichtigt werden.

Am Ende des Verfahrens blieben anerkannte Werbungskosten in Höhe von 566 Euro. Nun kann man geteilter Meinung sein, ob Wieselei erfolgreich war…

3 Stechuhr mit Fingerabdruck

Der Europäische Gerichtshof hatte im viel diskutierten „Stechuhr-Urteil“ aus Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union die Verpflichtung der Mitgliedstaaten abgeleitet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von jedem Arbeitnehmer täglich geleistete Arbeitszeit gemessen werden kann. Auch wenn sich das Urteil an die Mitgliedstaaten richtete, kann es jedes privatwirtschaftliche Unternehmen zum Anlass nehmen, sich zu überlegen, wie die Arbeitszeiterfassung künftig erfolgen soll. Da gibt es eine ganze Reihe Möglichkeiten, zu denen auch der Einsatz moderner Technologien gehört. Allerdings sind dabei einige Hürden zu überwinden, die vor allem im Datenschutz und im Betriebsverfassungsrecht wurzeln.

Der 57 Jahre alte Dieter Dörschli war seit Juni 2007 als Medizinisch-technischer Radiologie-Assistent bei einer radiologischen Praxis angestellt. Bislang trugen er und seine Kollegen dort auf dem ausgedruckten Dienstplan ihre geleisteten Arbeitszeiten und auch ihre Einsatzwünsche per Hand ein.

Mit dem Ziel, eine lückenlos korrekte Zeiterfassung für die Abrechnung zu haben und einen wöchentlichen, auch den Wünschen der Mitarbeiter entsprechenden Dienstplan erstellen zu können, führte die Praxis zum 1. August 2018 das Zeiterfassungssystem „ZEUS“ der ISGUS Unternehmensgruppe mit der entsprechenden Softwarelösung zur Personal-Einsatzplanung ein. Zum System gehört auch der Fingerabdruck-Scanner „IT 8200 FP“, der nach Auskunft der Herstellerdokumentation nicht den Fingerabdruck als Ganzes, sondern die Fingerlinienverzweigungen (Minutien) auswertet.

Dörschli aber lehnte eine Benutzung dieses Systems rundheraus ab. Von der Praxisleitung wurden ihm dafür zwei Abmahnungen erteilt, gegen die sich Dörschli mit einer Klage an das Arbeitsgericht Berlin wandte. Er hatte Erfolg. Das Gericht entschied, das Dörschli nicht verpflichtet sei, das Zeiterfassungssystem per Fingerabdruck zu nutzen.

Auch die Revision beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab Dörschli Recht. Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass es sich – auch wenn das System nur Fingerlinienverzweigungen verarbeitet – um biometrische Daten im Sinne der Datenschutzgrundverordnung handelt. Auch konnten die Richter für den vorliegenden Fall nicht feststellen, dass eine Arbeitszeiterfassung unter Einsatz biometrischer Daten im Sinne der Bestimmungen wirklich erforderlich war. Somit war diese Erfassung ohne Einwilligung des Arbeitnehmers nicht zulässig, und die Abmahnungen in der Personalakte mussten wegradiert werden.

Um die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu durchleuchten, musste sich die radiologische Praxis also etwas anderes einfallen lassen.

4 Grenzen für die Zugriffswut

Malermeister Frank Langbodden ist Inhaber eines Malerbetriebes. Da die Firma klein ist und Langbodden kein sprichwörtlich „großes Rad“ dreht, gilt er im Sinne des deutschen Handelsrechts nicht als Kaufmann. Deswegen ist er auch nicht verpflichtet, eine „richtige“ Buchführung oder Bilanz zu erstellen.

Zur Erfüllung seiner steuerrechtlichen Verpflichtungen muss Langbodden gleichwohl Aufzeichnungen anfertigen, was sich insbesondere auf seine Einnahmen bezieht. Da Langbodden mit seinem Betrieb kein Kaufmann ist, darf er den Gewinn zur Bemessung der von ihm zu entrichtenden Steuern durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln.

Als sich bei Langbodden für die Jahre 2011 bis 2013 eine Betriebsprüfung ankündigt, enthält der Brief mit der Prüfungsanordnung auch einen Fragebogen, mit dem Langbodden über das von ihm verwendete EDV-System Auskunft geben sollte. Daneben verlangt das Finanzamt die Überlassung von nicht näher bezeichneten „Datenträgern“. Langboddens Steuerberater teilt dem Finanzamt daraufhin mit entsprechenden Kreuzchen mit, dass keine digitalen Daten vorliegen, auf die bei der Außenprüfung zugegriffen werden könnte. Außerdem wird auf dem Fragebogen handschriftlich vermerkt, dass keine elektronische Kasse existiert, Bareinnahmen bis auf drei Ausnahmen im Prüfungszeitraum nicht vorliegen, die Belege ausschließlich in Papierform archiviert sind und das Archivierungssystem schlicht und einfach aus Ordnern besteht.

Im nachfolgenden Einspruchsverfahren gegen das mit Zwangsgeld belegte Vorlageverlangen des Finanzamtes legt Langbodden unter anderem die elektronischen Aufzeichnungen für seine Betriebseinnahmen vor (einschließlich Umsatzsteuer sowie Privatanteile). Für nahezu alle Betriebsausgaben bleibt es dagegen bei Papierbelegen.

Nachdem Langboddens Einspruch beim Finanzamt erfolglos bleibt, hat er beim Finanzgericht und dann auch beim Bundesfinanzhof umfassenden Erfolg. Die Richter des Bundesfinanzhofs bestätigen Langboddens Rechtsauffassung und stimmen den Richtern des Finanzgerichts zu, dass die Voraussetzungen für eine Vorlage eines maschinell verwertbaren Datenbestandes auf Datenträgern mit allen elektronisch gespeicherten Unterlagen aufgrund der für Langbodden geltenden Aufbewahrungspflichten nicht vorliegen. Da er seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, ist er nur zur Übergabe bestimmter elektronischer Dateien an das Finanzamt verpflichtet. Voraussetzung für eine Datenanforderung ist das Bestehen einer Aufbewahrungspflicht. Dementsprechend halten es auch die hohen Richter für ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung mittels Datenzugriff Einsicht in Unterlagen verlangen kann, die zwar vorhanden sind, aber vom Steuerpflichtigen nicht aufbewahrt werden müssen.

Ein schönes Urteil! Dazu gehört aber der wichtige Rat, nicht übermütig zu werden. Natürlich muss ein Steuerpflichtiger im Rahmen einer Außenprüfung alle Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorlegen. Auch Unterlagen, für die keine Aufbewahrungspflicht besteht, sind – soweit vorhanden – vorzulegen, wenn ihre Existenz typischerweise erwartbar ist. Anders als im Fall des Datenzugriffs wird dieser Pflicht allerdings schon durch die Vorlage von Unterlagen in Papierform Genüge getan. Auch eine ordnungsgemäße Überschussrechnung setzt lediglich voraus, dass die Höhe der Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben durch Belege nachgewiesen ist und dass nachvollzogen werden kann, wie die ausgewiesenen Zahlen ermittelt wurden. Eine förmliche Aufzeichnungspflicht besteht nicht.

Interessante Randnotiz: Das Finanzamt hatte argumentiert, dass es mit den (neuen) elektronischen Prüf- und Auswertungsprogrammen weitgehender und schneller möglich sei, den Betrieb zu prüfen. Aber auch diesem Argument haben die Richter des Bundesfinanzhofs eine Absage erteilt.

5 Sicheres Auftreten reicht nicht immer

Die Seniorin Helga Havelpaff besaß in Berlin ein schönes, mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Viel Familie hatte Havelpaff nicht mehr, und was ihr als Familie geblieben war, hatte ein lebenslanges Wohnrecht auf dem Grundstück. Doch anders als die Familie kann man sich die Freunde aussuchen, und da waren Havelpaff die Eheleute Mimmi-Molly und Arthur Wieselei sehr ans Herz gewachsen. Deshalb beschloss sie, den beiden das besagte Grundstück zu schenken. Mit einem notariellen Vertrag vom 1. März 2016 wurde der Plan in die Tat umgesetzt.

Wäre Havelpaff die Mutter einer der beiden Wieseleis gewesen wäre, wäre bei dieser Übertragung die Schenkungsteuer kein Thema gewesen. Da die Wieseleis aber im Sinne des Steuerrechts fremde Dritte sind, sind die Freibeträge klein, die Steuersätze hoch, und so lohnt es sich, um jeden Euro mit dem Finanzamt zu ringen.

Im Dezember 2016 setzte das Finanzamt für Zwecke der Schenkungsteuer den Grundbesitzwert auf 456.578 Euro fest. Im Einspruchsverfahren erklärte sich die Behörde bereit, die anzusetzende Bruttogrundfläche zu reduzieren und dadurch einen Grundbesitzwert in Höhe von 440.100 Euro anzusetzen. Im Hinblick auf weitere Differenzen legten die Wieseleis ein Verkehrswertgutachten von Arthur Flich vor. Dieser errechnete einen Verkehrswert in Höhe von 330.000 Euro als gewogenes Mittel aus Sachwertverfahren und Ertragswertverfahren.

Nun stellt sich jedoch zu Recht die Frage: Wer ist denn Arthur Flich? Die Antwort: Flich ist seit 1987 als Architekt bei der Architektenkammer Berlin registriert. Seit Juni 2000 verfügt er zudem über ein unbefristetes Zertifikat als „Sachverständiger für Wertermittlung und Baukostenplanung“.

Das Finanzamt war von Flichs Gutachten so beeindruckt, dass es den Grundstückswert immerhin auf 373.000 Euro herabsetzte. Da den Wieseleis aber auch das noch zu viel war, folgten Verfahren beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg und beim Bundesfinanzhof. Doch auch die gingen für die Wieseleis verloren.

Dass wir an dieser Stelle von den Verfahren berichten, liegt in der Person von Arthur Flich begründet. Im Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann so ein Gutachten zwar ein Weg sein, um den erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Wert zu senken, aber dazu muss das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorgelegt werden. Eigentlich stellt niemand Flichs Fähigkeiten und Unabhängigkeit in Frage. Aber es steht fest, dass er dazu nicht öffentlich bestellt und vereidigt worden war. Die Richter verweisen auf die Tatsache, dass das von den Wieseleis vorgelegte Gutachten als Privatgutachten nicht mehr als ein urkundlich belegtes Parteivorbringen ist. Der Nachweis eines (geringeren) Verkehrswertes verlangt, dass es der Bestellung weiterer Sachverständiger nicht mehr bedarf, da andernfalls die Nachweislast auf eine Darlegungs- und Feststellungslast reduziert wäre.

Zum Schluss bleibt uns nur, Flich zu wünschen, dass er seinen Titel als „Sachverständiger für Wertermittlung und Baukostenplanung“ zumindest bei anderen Gelegenheiten verwenden kann.

6 Volle Ladung für die Arbeitnehmer

Die Definition von Klimazielen ist ein wichtiges Thema in der öffentlichen Diskussion. Allerdings müssen diese Ziele dann auch erreicht werden. Zur Umsetzung sollen – so lässt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit auf seiner Homepage verkünden – bis 2030 mindestens sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Für diese sollen dann eine Million Ladepunkte zur Verfügung stehen.

Um den Masterplan zu verwirklichen, benötigt man logischerweise sieben bis zehn Millionen (natürliche oder juristische) Personen, die sich entschließen, in ein Elektroauto zu investieren. Das will die Bundesregierung unterstützen und hat daher unterschiedliche Fördermaßnahmen wie Kaufprämien oder Zuschüsse zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur beschlossen. So wirkt es ganz selbstverständlich, dass bei dieser Gelegenheit auch Steuervergünstigungen ins Feld geführt werden.

Bereits mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Elektromobilität im Straßenverkehr vom November 2016 wurden vom Arbeitgeber gewährte Vorteile für das elektrische Aufladen eines Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs im Betrieb des Arbeitgebers oder eines verbundenen Unternehmens und für die zeitweise zur privaten Nutzung überlassene betriebliche Ladevorrichtung von der Einkommensteuer befreit. Für denjenigen, der auch zu Hause den Stecker in das Auto stecken möchte, hat der Arbeitgeber aber auch die Möglichkeit, die Lohnsteuer für geldwerte Vorteile aus der Übereignung einer Ladevorrichtung sowie für Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für den Erwerb und für die Nutzung einer Ladevorrichtung pauschal mit 25 Prozent zu erheben. Voraussetzung ist jeweils, dass die geldwerten Vorteile und Leistungen sowie die Zuschüsse zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.

Will man wissen, ob das Auto auch wirklich elektrisch genug ist, genügt ein Blick in die Zulassungsbescheinigung: Wenn im Feld 10 die Ziffern „0004“ oder „0015“ stehen, kann man von einer behördlichen Einordnung als Elektrofahrzeug ausgehen, das also ausschließlich durch einen Elektromotor angetrieben wird, der ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern (etwa Schwungrad mit Generator oder Batterie) oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern (zum Beispiel wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle) gespeist wird. Wenn in besagtem Feld 10 die Ziffern „0016“ bis „0019“ oder „0025“ bis „0031“ ausgewiesen sind, dann ist der Elektromotor nicht alleine, sondern er teilt sich als Hybridelektrofahrzeug den Motorraum mit einem „traditionellen“ Verbrennungsmotor, und die eingebaute Speichereinrichtung für elektrische Energie kann extern aufgeladen werden.

Das, was steuerlich für das Laden von Autos beim Arbeitgeber gilt, gilt auch für alle anderen elektrischen fahrbaren Untersätze, wenn diese verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeug einzuordnen sind (so etwa Elektrofahrräder mit möglichen Geschwindigkeiten über 25 km/h oder Elektrokleinstfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h). Damit kein Neid entsteht, dürfen aber auch aus Billigkeitsgründen alle Elektrofahrräder in der Firma aufgeladen werden, ohne dass dafür Lohnsteuer fällig wird.

Wenn die vom Arbeitnehmer selbst getragenen Stromkosten erstattet werden sollen, kommt es schlicht und einfach darauf an, wem das geladene Auto gehört. Bei privaten Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugen des Arbeitnehmers stellt die Erstattung der vom Arbeitnehmer selbst getragenen Stromkosten steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Bei einem Firmenwagen, der auch zur privaten Nutzung überlassen wird, ist die Erstattung der vom Arbeitnehmer selbst getragenen Stromkosten ein steuerfreier Auslagenersatz. Damit zu Hause nicht noch extra ein Stromzähler vorgeschaltet werden muss und gar nicht erst der Verdacht aufkommt, dass noch andere Elektrofahrzeuge an der Steckdose „naschen“, können ab 2021 zur Auslagenerstattung bei der Überlassung von Elektrofahrzeugen die folgenden Pauschalen verwendet werden: 30 Euro bei zusätzlicher Lademöglichkeit beim Arbeitgeber und 70 Euro, wenn es diese Möglichkeit nicht gibt. Bei der Verwendung von Hybridelektrofahrzeugen sind diese Beträge halbiert.

7 Krankheit entschuldigt nicht alles

Im November 2019 erhielt Dolores Umbritsch einen unerfreulichen Brief von der Kindergeldkasse. In schönstem Amtsdeutsch wurde ihr mitgeteilt, dass die Festsetzung des Kindergeldes für ihr im August 1997 geborenes Kind Hans-Rubeus rückwirkend ab Oktober 2017 aufgehoben wurde. Dies bedeutete, dass sie nicht nur künftig kein Kindergeld mehr bekam, sie sollte auch noch 4.476 Euro an die Kindergeldkasse zurückzahlen. Die Aufhebung der Festsetzung wurde damit begründet, dass die Studienbescheinigungen ab dem Wintersemester 2017/18 nicht vorgelegt worden seien und daher nicht festgestellt werden konnte, ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht.

Zwei Monate dauerte es, bis Umbritsch einen großen Umschlag mit verschiedenen Unterlagen – wie die begehrte die Studienbescheinigung ab dem Wintersemester 2017/18  – an die Kindergeldkasse schickte. Sie entschuldigte sich für die späte Reaktion und begründete die fehlende Einlegung eines fristgerechten Einspruchs damit, dass sie aufgrund der unterdessen gebrochenen rechten Hand nicht in der Lage gewesen sei, zu schreiben. Außerdem hätte die Tochter auch noch eine Operation infolge einer akuten Entzündung der Weisheitszähne gehabt, weshalb sie von der Mutter betreut werden musste. Natürlich konnte Umbritsch für alle gesundheitlichen Kalamitäten die entsprechenden Bescheinigungen vorlegen.

Der hier geschilderte Fall könnte Teil des Spiels „Wie hätten Sie entschieden?“ sein. Natürlich war nach zwei Monaten die Einspruchsfrist deutlich verstrichen. Aber ist Umbritschs Versäumnis nicht zu entschuldigen?   Die Familienkasse beantwortete diese Frage eindeutig mit „Nein!“. Auch der Bundesfinanzhof sah keine Gründe, einsichtig zu sein.

Umbritsch bekommt die Wiedereinsetzung in das Verfahren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die gesetzliche Einspruchsfrist von einem Monat einzuhalten. Maßstab für den Begriff Schuld ist die Sorgfalt, die Umbritsch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände ihres Falles und ihrer persönlichen Verhältnisse zugemutet werden kann. Eine eigene Krankheit ist nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn dem Kranken wegen seines Zustandes nicht zuzumuten war, die Frist durch eigenes Handeln oder durch das Handeln eines Dritten zu wahren. Dies bedeutet, dass die Krankheit so plötzlich und schwer aufgetreten sein muss, dass es auch nicht möglich gewesen wäre, einen Dritten mit der Interessenwahrnehmung zu beauftragen. Bezüglich der eitrigen Weisheitszähne der Tochter stellten die Richter fest, dass sich Umbritsch zwar ohne Zweifel um die in ihrem Haushalt lebende Tochter gekümmert hat. Nicht nachvollziehbar war jedoch, dass sie die bereits 22-jährige und ein Universitätsstudium absolvierende Frau so intensiv betreuen musste, dass es ihr nicht mehr zuzumuten gewesen sein soll, ihren sonstigen Verpflichtungen nachzukommen.

8 Abmahnung für die Abmahnvereine

Natürlich ist es gut und richtig, wenn wir alle gegenseitig auf uns aufpassen. Aber leider gibt es Zeitgenossen, die aus dem Aufpassen ein Geschäftsmodell entwickelt haben. Wenn es sonst nicht so viel zu tun gibt, streifen diese Damen und Herren durch das Internet und hoffen, irgendwo in den Weiten des digitalen Kosmos über einen Rechtsverstoß zu stolpern. Wenn dann so ein Stein des Anstoßes gefunden wurde, wird derjenige, der den Stein hat liegen lassen, ganz freundlich, aber begleitet durch eine saftige Honorarrechnung, darauf hingewiesen. Diesen Vorgang nennt man Abmahnung, und er passiert leider nicht so selten.

Da das beschriebene Geschäftsmodell nicht gerecht ist, hat der Gesetzgeber beschlossen, dem Abmahnmissbrauch die Grundlage zu entziehen und insbesondere Selbständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen unnötiger und wettbewerbsschädigender Massen-Abmahnungen zu schützen.

Das neue Gesetz beseitigt finanzielle Fehlanreize: So sind die Kosten für Abmahnungen wegen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet oder wegen Datenschutzverstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten sowie vergleichbaren Vereinen künftig nicht mehr erstattungsfähig. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe schon bei erstmaliger Abmahnung ist ausgeschlossen. Sollte sich eine Abmahnung als ungerechtfertigt herausstellen oder nicht die erforderlichen Informationen enthalten, können die Betroffenen vom Abmahnenden nunmehr sogar die Erstattung ihrer Kosten verlangen. Last but not least, wurde festgelegt, dass Wirtschaftsverbände ihre Ansprüche nur noch dann geltend machen können, wenn sie auf einer Liste als qualifiziert eingetragen sind.

Diese Rechtsentwicklung ist eine gute Nachricht. Nun muss man wohl abwarten, welche Anpassungsfähigkeiten die Abmahnvereine entwickeln, um sich andere Stolpersteine zu suchen.

9 G wie … Grundfreibetrag

Zunächst hatte der Grundfreibetrag bei der Berechnung der Einkommensteuer keinen tieferen Sinn als den praktischen Vorteil, Aufwand und Nutzen in ein sinnvolles fiskalisches Verhältnis zueinander zu setzen. Doch das änderte sich Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Gleich bei mehreren Gelegenheiten hatte sich das Bundesverfassungsgericht damals auf den Begriff des Sozialstaatprinzips konzentrieren können. In der Summe formulierten die hohen Richter die Vorgabe an den Gesetzgeber so, dass der potenziell steuerzahlende Mitbürger erst dann zur Steuerzahlung herangezogen werden darf, wenn alles gezahlt werden kann, was zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie benötigt wird. Genau dazu sagt man auch „Existenzminimum“.

Diese theoretische Definition musste sodann in praktische Zahlen gegossen werden. Der Gesetzgeber hat also seither die Aufgabe, jedes Jahr den Betrag des Existenzminimums zu bestimmen und die Berechnungsformel für die Einkommensteuer im Gesetzestext entsprechend zu ändern. Die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums erfolgt auf Basis des geltenden Sozialhilferechts, also dem, was im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und im Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz kodifiziert ist. Damit soll der Grundfreibetrag nicht nur den Regelbedarf, sondern auch den Bedarf für Bildung und Teilhabe von Kindern, die angemessenen Kosten der Unterkunft und auch die Heizkosten einschließlich der Aufwendungen für die Warmwasserbereitung abdecken. Dagegen finden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung keinen Eingang in den Grundfreibetrag, weil diese bereits bei den Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Für das Jahr 1996 wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erstmalig umgesetzt, und so sprang der Grundfreibetrag von 5.616 DM im Jahr 1995 auf 12.095 DM (also umgerechnet 6.184 Euro). Für das Jahr 2019 stieg der Grundfreibetrag für alle Steuerpflichtigen um 168 Euro von 9.000 Euro auf 9.168 Euro. Im Jahr 2020 stieg der Grundfreibetrag noch einmal, sodass alle Einkommen bis 9.408 Euro steuerfrei blieben. Für das Jahr 2021 wurde bereits aus der Glaskugel ein Betrag von 9.744 Euro und für das Jahr 2022 in Höhe von 9.984 Euro herausgelesen. Es ist bemerkenswert, dass der Grundfreibetrag damit innerhalb von fünf Jahren um fast 1.000 Euro ansteigt.