Infobriefe

Infobrief September 2020

22.09.2020

„Je öfter eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit.“ 

François Marie Arouet, genannt: Voltaire (1694 – 1778)



Liebe Mandanten,

liebe Geschäftsfreunde,  

wir hoffen, Sie hatten einen schönen Sommer und sind – falls Sie verreist waren – gesund und ohne Virus im Gepäck zurückgekehrt. Wie die Situation ist, wenn Sie diesen Infobrief in den Händen halten, ist beim Schreiben dieser Zeilen nicht vorherzusehen. Steigt die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen weiter an? Oder stabilisiert sie sich, wenn alle Urlauber wieder da sind? Und welche Auswirkungen werden kühlere Temperaturen haben? Schwer zu sagen. Was jedoch schon jetzt feststeht: Wer in Zeiten der Pandemie bei der Arbeit besonderen Einsatz gezeigt hat, kann vom Chef einen Zuschuss von bis zu 1.500 Euro bekommen, ohne dass dafür Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, lesen Sie auf den folgenden Seiten.  

Außerdem verraten wir Ihnen, ob Kundenkommentare bei Amazon unerlaubte Werbung sein können. In unserem Fallbeispiel geht es um die unter Sportlern beliebten Kinesiologie-Tapes. Und wenn Sie schon immer wissen wollten, wie es sich mit dem Kinderfreibetrag bei getrennt lebenden Eltern verhält, dann finden Sie auch darauf die Antwort in dieser Infobrief-Ausgabe.  

Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche und kurzweilige Lektüre. Kommen Sie gut durch den Herbst und bleiben Sie gesund!  

Ihr Team von Wagemann + Partner

1 Corona-Hilfe für Arbeitnehmer

Corona-Soforthilfe, Corona-Überbrückungshilfe für Unternehmer und Studenten, erstes und zweites Corona-Steuerhilfegesetz: Die Gesetzgeber auf den Ebenen des Bundes und der Länder waren bemüht, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Es würde wohl den Rahmen dieses Infobriefes sprengen, wenn wir alle Varianten, Besonderheiten sowie sämtliche Hin- und Rückausnahmen mit ihren möglichen Fußangeln beschreiben wollten. Vorsorglich möchten wir aber doch auf einen Aspekt eingehen, der sich systematisch von den anderen Instrumenten unterscheidet:

Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 aufgrund der Corona-Krise Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 Euro in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren, ohne dass dafür Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Voraussetzung ist, dass diese Unterstützungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Das gilt für alle Arbeitnehmer und nicht nur für einzelne, bestimmte Branchen. Somit muss auch nicht gegenüber dem Fiskus besonders argumentiert werden, warum ausgerechnet dieser eine Mitarbeiter in seinem individuellen Kampf gegen das Coronavirus die Sonderzahlung verdient hätte.

Sogar die so genannten Mini-Jobber können nach Auskunft der Minijob-Zentrale den Zuschuss ohne Nachteile genießen, auch wenn dadurch die 450-Euro-Grenze im Jahresdurchschnitt überschritten wird. Einschränkungen betreffen die vom Arbeitgeber geleisteten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld sowie die Zuschüsse, die der Arbeitgeber als Ausgleich zum Kurzarbeitergeld wegen Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze leistet.

Das Angebot ist deshalb nicht alltäglich, weil der Gesetzgeber für gewöhnlich Gießkannenlösungen aus dem Weg geht. Üblicherweise wird auf eine individuelle Betroffenheit abgestellt. Gleichwohl überlässt es der Gesetzgeber dem Arbeitgeber, wie die Sonderzahlung finanziert werden soll. So werden bei der Corona-Überbrückungshilfe die Personalkosten nur pauschal gefördert.

2 Man kann nicht meckern, wenn der Kunde zufrieden ist

Auch in dieser Infobrief-Ausgabe möchten wir auf das Thema Verbraucherschutz eingehen. Und abermals geht es um einen klagenden Verein. Der ist in diesem Fall ein eingetragener Wettbewerbsverein, also das, was man landläufig „Abmahnverein“ nennt. Und er hatte Rubeus Hartgriff im Visier. Hartgriff bietet Leistungen über das Internet an. Via Amazon vertreibt er sogenannte Kinesiologie-Tapes, diese lustigen, bunten Streifen also, die sich Sportler und solche, die sich dafür halten, in den Nacken, auf das Knie oder auf die Armbeuge kleben, um (wieder) fitter zu werden.

In der Vergangenheit wurden diese Produkte damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien. Doch medizinisch ist das wohl nicht gesichert nachweisbar. Deshalb hatte Hartgriff gegenüber dem Abmahnverein eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Der Verein aber fand, dass damit noch nicht genug für den Verbraucherschutz getan war. Denn bei Amazon ist es möglich, das erworbene Produkt für andere potenzielle Käufer zu kommentieren und zu bewerten, und so konnte man unter dem von Hartgriff angebotenen Produkt Kundenrezensionen abrufen mit Hinweisen wie „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“. Der Verein nutzte prompt die Chance und verklagte Hartgriff zur Zahlung der saftigen Vertragsstrafe und zur Erstattung der eigenen Verfahrenskosten.

Aber die Klagen des Vereins fanden in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof kein Gehör. Nach Feststellung der hohen Richter sind die Kundenbewertungen zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist, aber Hartgriff hat mit den Kundenbewertungen nicht geworben. Das hat er weder selbst aktiv getan, noch hat er sich die Kundenbewer–tungen zu eigen gemacht, indem er die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hätte. Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet, finden sich bei Amazon getrennt vom angebotenen Produkt und werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre von Hartgriff als Verkäufer zugerechnet.

Darüber hinaus stellten die Richter fest, dass Hartgriff auch keine Rechtspflicht hatte, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen zu verhindern, weil es nämlich das gute Recht der Verbraucher ist, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen.   Ein anderes Ergebnis als dieses Urteil ist auch nicht vorstellbar; sonst müsste man noch mehr Angst davor haben, in der Öffentlichkeit gelobt zu werden.

3 Steuerlich wertvoller Umgang mit den Kindern

Das Steuer-ABC am Ende dieser Infobrief-Ausgabe hat den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) zum Gegenstand. Wie dort angedeutet, kann er zum Streitpunkt werden, wenn die Eltern eines Kindes nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnen. Genau so war es in der geschiedenen Ehe zwischen Harald und Hanny Petter und dem „Umgang“ mit dem gemeinsamen Spross Albert.

Vater Harald Petter lebte in den Jahren 2016 und 2017 in einer Stadt in Niedersachsen. Sein Sohn Albert lebt – hauptsächlich – bei Mutter Hanny in einer anderen Stadt in 163 Kilometern Entfernung. Im Rahmen der Scheidung hatten die Eltern vereinbart, dass Albert jedes zweite Wochenende jeweils samstags um 10 Uhr bei Hanny abgeholt und jeweils sonntags um 16 Uhr wieder zurückgebracht wird. Zusätzlich sollte Harald seinen Sohn zu Ostern und Weihnachten bei sich haben. In den Schulferien hingegen sollte der Filius immer zu Hause oder bei der Oma sein.

Mit Ausnahme von Krankheit und eigenem Urlaub wurde diese Vereinbarung eingehalten. Das Zählen der Tage im Kalender erbrachte das Ergebnis, dass sich Albert im Jahr 2016 an 45 Tagen und im Jahr 2017 an 55 Tagen in der Obhut seines Vaters befand.

Harald Petter sah damit die gesetzlich definierte Voraussetzung des „nicht unwesentlichen Umfangs“ seiner Kinderbetreuung erfüllt und beanspruchte seinen BEA-Freibetrag für sich selbst in seiner Einkommensteuerveranlagung. Das wurde ihm allerdings vom Finanzamt verwehrt. Wahrscheinlich hatte man den Freibetrag bereits an Mutter Hanny herausgegeben, was sonst üblich und unwidersprochen ist. Doch das konnte man so natürlich nicht sagen, denn ein Windhundprinzip für Freibeträge ist im Steuerrecht nicht vorgesehen. Und so begründete man die Ablehnung Herrn Petter gegenüber damit, dass diese Betreuungszeiten nicht wesentlich und auch gar nicht richtig nachgewiesen wären. Eine klassische Situation also, bei der ein Gericht gebraucht wird. Das niedersächsische Finanzgericht war zuständig.

Die Richter des Finanzgerichts hatten nun also die Aufgabe, eine Methode zu finden, mit der die Frage unter objektiven Gesichtspunkten beantwortet werden kann. Mittags in der Gerichtskantine die Kollegen um ihre Meinung zu bitten, ist zwar sicherlich ein guter Weg, um die eigene – subjektive – Meinung zu bilden, aber als Begründung in einem Finanzgerichtsverfahren nicht ausreichend. So war es für die Richter des Finanzgerichts hilfreich, dass Richter des Bundesfinanzhofes bereits Gedanken dahingehend versprüht hatten, von einer regelmäßigen Betreuung auszugehen, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines – üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten – weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil aufhält, bei dem es nicht gemeldet ist.

Aus Gründen der Vereinfachung hatten die Richter des Bundesfinanzhofs dabei grundsätzlich keine Bedenken, bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von durchschnittlich 10% im Jahr das Merkmal einer Betreuung in einem „nicht unwesentlichen Umfang“ als erfüllt anzusehen, wobei weitere Indizien in diesem Fall vernachlässigt werden können.

Damit waren die Würfel zugunsten von Herrn Petter gefallen, denn ein jährlicher Betreuungsanteil von 10% (und damit von etwa 36 Tagen pro Jahr) war in beiden Streitjahren überschritten. Dabei werden auch die Betreuungstage voll zugerechnet, die nicht 24 Stunden andauerten. Das gilt jedenfalls für die Tage, an denen deutlich mehr als 12 Stunden betreut wurde, was über reine Besuchszwecke hinausging. Alles andere würde gegebenenfalls auf eine stundengenaue Protokollierung der Betreuungszeiten hinauslaufen und damit dem vom Bundesfinanzhof anvisierten Vereinfachungszweck zuwider laufen.

Ein riesiger Aufwand im Rosenkrieg. Über die steuerlichen Verhältnisse von Hanny Petter ist nichts bekannt. Wenn bei ihr die steuerliche Wirkung der Freibeträge unter denen des halben Kindergeldes liegt, dann hätte man mit einem gepflegten Dialog zwischen den Ex-Eheleuten das gleiche Ergebnis erreichen können – nur eben mit weniger Aufwand und einem vom Harald Petter bezahlten Essen.

4 Augen auf beim Online-Kauf

Wenn irgendetwas fehlt im Haushalt: Klick-Klick-Klick durchs Internet, dann noch zwei oder drei Tage gewartet, und schon steht die Kiste im Hausflur. So einfach kann der Kauf im „world wide web“ sein. In diesem Beitrag, liebe Leserinnen und Leser, möchten wir Sie auf Kleingedrucktes hinweisen, das sich zu einer größeren Herausforderung entwickeln könnte.

So bot beispielsweise die EasyAshram B.V., eine Kapitalgesellschaft nach niederländischem Recht, innerhalb der Europäischen Union Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel für Diäten und Medizinprodukte über die Internetseite von Amazon feil. Die Warenlieferungen im Rahmen der Option „Verkauf durch die EasyAshram B.V., Versand durch Amazon“ wird wie folgt abgewickelt: Die EasyAshram B.V. sendet ihre Ware aus den Niederlanden an diverse Logistikzentren von Amazon in der EU, wobei die Ware für deutsche Privatkunden überwiegend in deutsche Logistikzentren geliefert wird. Bei den Logistikzentren in Deutschland handelt es sich um Tochterunternehmen von Amazon. Diese lagern die Ware für Amazon ein und stellen sie zum Verkauf an die Endkunden bereit.

Der EasyAshram B.V. ist teilweise gar nicht bekannt, in welchem Logistikzentrum sich die Ware befindet, weil Amazon die angelieferten Waren eigenständig auf andere Logistikzentren verteilen kann. Die Waren werden über Amazon direkt an die Privatkunden verkauft. Entscheidungen über den Verkauf und den Abnehmer trifft ausschließlich Amazon, auch der Versand erfolgt ausschließlich über die Amazon Logistik-Kette.

Nun war die EasyAshram B.V. der Auffassung, dass sie aufgrund dieser Lagerei-Umstände die Waren umsatzsteuerfrei als so genannte innergemeinschaftliche Lieferung an Amazon mit Sitz in Luxemburg liefert und Amazon diese dann – ganz normal – mit deutscher Umsatzsteuer an den Endabnehmer weiterverkauft.   Dieser Sichtweise erteilte die deutsche Finanzgerichtsbarkeit mit einem Beschluss des Bundesfinanzhofs zum vorangegangenen Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf eine deutliche Absage. Vielmehr erbringt die EasyAshram B.V. praktisch mit sich selbst ein so genanntes innergemeinschaftliches Verbringen, das in Deutschland zu einem umsatzsteuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb führt. Bis dahin ist die Angelegenheit für die EasyAshram B.V. nur ärgerlich und lästig, weil die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb mit etwas organisatorischem Aufwand wieder wie Vorsteuer abzugsfähig sein wird. Was der EasyAshram B.V. dann dauerhaft wehtut, ist die Konsequenz, dass sie damit selbst die Waren mit dem vom Kunden bezahlten Betrag an diesen geliefert hat. Die EasyAshram B.V. hat sodann mit bundesdeutsch-staatlichem Nachdruck die aus diesem Betrag herausgerechnete Umsatzsteuer an den deutschen Fiskus zu zahlen.

Dem deutschen Endabnehmer sind die unbehandelten Kopfschmerzen der EasyAshram B.V. egal, solange er wirklich nur eine Privatperson ist. Bei Unternehmern – egal ob als natürliche oder als juristische Person und egal ob für das Unternehmen benötigt oder nicht – ergeben sich diverse Fußangeln, wobei im ungünstigsten Fall die auf den Zahlbetrag draufzuschlagende Umsatzsteuer zusätzlich zu entrichten wäre. Wenn bei gleichen Lieferbedingungen der Verkäufer der begehrten Waren allerdings im Drittland sitzt, dann wird auch die Privatperson zuständig für Einfuhrumsatzsteuer und für Zölle.

Soweit sonstige Leistungen (also keine Lieferung von Waren, sondern Download von Software, Videos, der Betrieb von Dating-Portalen usw.) über das Internet erbracht werden, hat sich dagegen europaweit spätestens seit dem Jahr 2015 die Gesetzgebung dahingehend verändert, dass bei Käufen, die über eine Internet-Plattform bzw. einen App-Store getätigt werden, grundsätzlich eine Dienstleistungskommission fingiert wird. Somit schuldet in dieser Konstellation der Plattform-Betreiber die Umsatzsteuer aus der an den Endkunden erbrachten Leistung. Dies gilt vor allem dann, wenn der Plattform-Betreiber die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert oder die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt. Anderseits sind reine Zahlungsdienstleister wie PayPal davon ausgenommen.

Als Fazit möchten wir die Erkenntnis vermittelt haben, dass der Kauf über das Internet keineswegs grundsätzlich mies gemacht werden soll. Sobald die gewünschten Leistungen auch Landesgrenzen überschreiten, ist es aber sinnvoll, vor dem Drücken der Sende-Taste noch einmal kurz innezuhalten, um zu überlegen, ob alles bedacht worden ist.

5 Fifty-Fifty für die Maklerkosten

Bisher ist es beim Handel mit Immobilien gelebter Standard, dass der Käufer der Immobilie die gesamte Zeche bezahlen muss. Neben dem Kaufpreis selbst betrifft das die Grunderwerbsteuer – obwohl gegenüber dem Finanzamt Käufer und Verkäufer zusammen haften – und es gilt auch für die Maklergebühren. Wer also eine Immobilie verkaufen möchte und sich bei der Suche nach dem besonders zahlungskräftigen Käufer eine tatkräftige Unterstützung wünscht, unterschreibt den Vertrag mit einem Immobilienmakler. Die Rechnung des Maklers bezahlt dann – unter den vom Verkäufer bestimmten Bedingungen – der Käufer.

Das klingt unglaublich ungerecht, allerdings muss man berücksichtigen, dass diese Nebenkosten vom Erwerber bei Festlegung der Schmerzgrenze bereits mit eingepreist sind. Gleichwohl sah sich der Gesetzgeber dazu veranlasst, zugunsten von privaten Endverbrauchern tätig zu werden, denn die allgemeinen Diskussionen rissen nicht ab, nachdem bereits für Wohnungsvermietungen seit dem 1. Juni 2015 das Bestellerprinzip eingeführt worden war. So hat der Bundesrat am 5. Juni 2020 das vom Bundestag beschlossene „Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser“ gebilligt. Es tritt sechs Monate nach der Veröffentlichung, also am 23. Dezember 2020, in Kraft.

Die neuen Regelungen betreffen die Verteilung der Maklercourtage beim Verkauf von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, die Maklercourtage vollständig und ungefragt beim privaten Käufer abzuladen, wenn der Verkäufer bei der Beauftragung des Maklers irgendwie beteiligt war. Wird ein Makler aufgrund zweier Maklerverträge sowohl für den Käufer als auch den Verkäufer tätig, kann er eine Vergütung künftig nur von beiden Parteien zu gleichen Teilen verlangen.

Um die einfachsten Tricksereien zu vermeiden, war der Gesetzgeber bemüht, einige Sicherungen einzubauen. Wenn der Makler beispielsweise mit einer Partei vereinbart, für diese unentgeltlich tätig zu sein, dann darf er auch von der anderen Partei keine Vergütung einfordern. Und wenn der Makler nur von einer Partei beauftragt wurde, dann muss diese die Maklervergütung zahlen, und die Kosten können nur an die andere Partei weitergereicht werden, wenn sie maximal 50 Prozent der insgesamt zu zahlenden Courtage betragen und wenn der Auftraggeber des Maklers nachweist, dass er die Courtage bereits gezahlt hat, bevor er von der anderen Vertragspartei deren Anteil verlangt.

Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass diese Regelungen natürlich auch für Gelegenheits- und Zufallsmakler gelten. So weit, so gut. Nun muss man abwarten, wie sich das neue Gesetz bewährt. Wie wird sich die Ertragslage der Maklerfirmen verändern? Welche Veränderungen ergeben sich damit für den Immobilienmarkt selbst? Gelten die berühmten Tippgeberprovisionen auch als Maklercourtage? Woran kann ein Makler erkennen, ob der Käufer eine Privatperson oder ein gewerblicher Immobilienhändler ist, und inwieweit darf er sich auf die Versicherungen des potentiellen Käufers verlassen? Wie will man eigentlich mehr oder weniger verdeckte Cash Backs oder Kompensationsgeschäfte erkennen, aufdecken und wie will man dann damit umgehen? Die absolute Gerechtigkeit zu leben, ist im täglichen Leben eben nicht einfach.

6 Keine offenbare Unrichtigkeit durch Tiefschlaf 

Wenn ein Steuerbescheid in der Welt und die Einspruchsfrist dazu verstrichen ist, dann gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, an den Ergebnissen etwas zu ändern. Eine der wenigen Änderungsmöglichkeiten besteht dann, wenn der Bescheid offenbare Unrichtigkeit enthält. Was genau so eine offenbare Unrichtigkeit über plumpe Rechenfehler hinaus ist, daran scheiden sich die Geister, und es beschäftigt die Finanzgerichte.

Bei der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung hat sich Rubeus Hartgriff immer viel Mühe gegeben, um alles richtig und vollständig in die Formulare einzutragen. So war das auch im Dezember für das Jahr 2010, und dazu gehörte auch der von ihm erwirtschaftete Gewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 128.000 Euro. Beim Einscannen der Angaben im Finanzamt unterblieb aber versehentlich die Erfassung dieser Einkünfte. Bei der Bearbeitung der Erklärung erhielt die Finanzbeamtin dann zwar elektronische Prüf- und Risikohinweise, aber trotzdem verzichtete sie auf einen abgleichenden Blick in Hartgriffs Erklärung. Dafür erhöhte sie die Richtigkeit lediglich mit einem Haken in ihren Akten.

Bei der Bearbeitung der Steuererklärung für das Folgejahr fiel dem Finanzamt der Fehler auf, und es erließ im Mai 2014 einen berichtigten Steuerbescheid für das Jahr 2010, in dem man sich auf eine offenbare Unrichtigkeit berief.

Nach der sodann unvermeidlichen Klage beim Finanzgericht Düsseldorf gelangte dieses Gericht zu dem Ergebnis, dass das Finanzamt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit befugt gewesen wäre, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu berichtigen, weil die Bearbeitung der Prüf- und Risikohinweise nicht zu einer neuen Willensbildung geführt hätte. Dem aber widersprachen die Richter des Bundesfinanzhofs, sie beendeten die Existenz des Änderungsbescheides. Zur Begründung ihres Urteils stellten die Richter fest, dass eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit zuungunsten des Steuerpflichtigen in der Praxis nicht akzeptiert werden sollte, wenn der Steuerpflichtige vollständige Angaben gemacht hat und diese ignoriert werden.

In der Praxis häufen sich Fälle, in denen die Steuerbürger richtige Steuererklärungen abgeben, das Finanzamt dann aber entweder Fehler bei der Eingabe der Daten macht oder Unklarheiten nicht aufklärt werden. Eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit scheidet schlicht und einfach aus, wenn der Fehler auf einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung oder auf einem Tatsachenirrtum beruht.

Das Finanzamt hätte sich nicht so viel Mühe geben müssen, wenn der erste Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden hätte, aber dann hätte auch Hartgriff innerhalb der vierjährigen Verjährungszeit nach Herzenslust die Veranlagung ändern können.

Abschließend noch ein kleines Quiz: Hätte sich Hartgriff eigentlich beim Finanzamt melden müssen, um auf die vergessenen Einkünfte hinzuweisen? Die Antwort ist überraschend eindeutig: Nein. Ein Einspruch wäre sogar unzulässig gewesen, weil Hartgriff mit dem Bescheid begünstigt und nicht beschwert war.

7 Der neue Auftritt darf nicht hörbar sein

Die Herren Dieter Dörschli und Frank Langbodden wohnen zusammen in einem Haus, das heißt, sie wohnen nicht in einer Wohnung, sondern übereinander in ihren Eigentumswohnungen: Langbodden im ausgebauten Dachgeschoss und Dörschli direkt darunter im zweiten Obergeschoss des 1962 errichteten Hauses in Düsseldorf.

Im Jahr 2008 ließ Langbodden in seiner Wohnung den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Seitdem klagt Dörschli darunter über eine unzumutbare Lärmbelästigung durch Trittschall. Das erste Ergebnis seiner Proteste bei der Hausverwaltung war ein 2013 in Auftrag gegebenes Gutachten, das der Wohnungstrenndecke die Einhaltung der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 bescheinigte. Bei Dörschlis zweitem Anlauf lehnte es die Wohnungseigentümerversammlung im April 2014 ab, eine den anerkannten Regeln der Technik für die Herstellung einer Trittschalldämmung genügende Trenndecke zwischen den Wohnungen der Parteien herstellen zu lassen. Als letzten Ausweg sah Dörschli nur die Klage bei Gericht, um seine Ruhe wiederzufinden. Konkret verlangt er von Langbodden, wieder Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von 53 dB herzustellen.

Da aber Langbodden lieber vor Gericht geht, als einen Teppich zu verlegen, wanderte der Fall bis zum Bundesgerichtshof. Aber auch diese Instanz verpflichtete Langbodden, tätig zu werden. Die Leitlinie der Entscheidung der hohen Richter war der scheinbar simple und trotzdem gesetzlich formulierte Grundsatz, dass jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, von seinem Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Und nach Feststellung der Richter war für Dörschli genau solch ein Nachteil durch den Austausch des Bodenbelags bei seinem Übernachbarn entstanden.

Zwar muss der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden, insbesondere durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs. Daraus folgt aber nur, dass das mit den im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteilen bereits erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum erhalten bleiben muss und nicht signifikant verschlechtert werden darf.

Nachdem die Fliesen nun schon 12 Jahre in Langboddens Wohnung gelegen hatten, sind sie ja vielleicht auch unterdessen unmodern geworden. Da bietet sich jetzt eine wunderbare Gelegenheit für eine Veränderung.

8 Immobiles Mobilheim

Petra Porskopf erwarb im Jahr 2018 ein „Kleinwochenendhaus“ auf einem Pachtgrundstück in der Nähe der Stadt Münster nebst Zubehör für 10.000 Euro und verpflichtete sich zugleich, mit dem Grundstückseigentümer einen zehnjährigen Pachtvertrag abzuschließen. Über das Haus existiert ein vom Deutschen Mobilheim Verband e.V. ausgestellter „Mobilheimbrief“, der unter anderem eine Fahrgestellnummer und die Maße des Hauses (8,35 Meter Länge, 3,10 Meter Breite, 2,98 Meter Höhe) sowie dessen Gewicht (4.250 Kilogramm) enthält. Das Haus hat keine richtig feste Verbindung zum Grundstück, denn es steht auf Holzbalken, aber es ist ordentlich an die Kanalisation und das Stromnetz angeschlossen. Frau Porskopf zog in das Haus ein und meldete dort ihren Wohnsitz an.

Das Finanzamt unterwarf den Vorgang prompt der Grunderwerbsteuer, und die darauf folgende Klage beim Finanzgericht Münster hatte leider keinen Erfolg. Nach Feststellung des Gerichts ist das Mobilheim als Gebäude auf fremdem Grund und Boden anzusehen. Aufgrund seines Gewichts und seines Alters von fast 40 Jahren ist davon auszugehen, dass es nur mit großem Aufwand und nicht ohne das Risiko einer Zerstörung transportiert werden kann. Zudem muss vorher die Terrasse entfernt werden.

Für den zwischenmenschlichen Umgang und für die Grunderwerbsteuer gilt somit ein gemeinsamer Grundsatz: Auf die inneren Werte kommt es an.

9 Marderschaden ist wohl nicht außergewöhnlich

Bei verschiedenen Gelegenheiten hatten wir bereits diskutiert, wann eine steuerlich wirksame „außergewöhnliche Belastung“ vorliegt und wann nicht. Definitionsgemäß liegt sie vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Dabei ist der Vergleich mit anderen Haushalten der deutlich einfachere Teil der Umsetzung dieser gesetzlichen Regelung. Viel unschärfer aus juristischer Sicht ist, was unter dem Wort „zwangsläufig“ zu verstehen ist.

Seit 2004 hatte Familie Wieselei mit einem Marderbefall ungewünschte Untermieter in ihrem Hause. Die Mardereinquartierung konnte die Familie zwar punktuell bekämpfen, aber nachhaltig vertreiben konnte man die Tiere nicht. Wie man weiß, stehen Marder derartig unter Naturschutz, dass man sie eigentlich nur freundlich bitten kann, sich ein anderes Zuhause zu suchen. Im Streitjahr 2015 nahmen die Wieseleis schließlich eine umfangreiche Dachsanierung vor, deren Kosten in Höhe von 45.000 Euro sie als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuererklärung geltend machten. Die Wieseleis beriefen sich darauf, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung bestanden habe und der Geruch unzumutbar gewesen sei, weil sich im Dach eine regelrechte Marderkloake (sieben so genannte Mardertoiletten) befunden haben. Das Finanzamt lehnte einen Abzug der Kosten jedoch ab.

Die nun folgende Klage beim Finanzgericht Hamburg hatte keinen Erfolg. Um ehrlich zu sein, ist dies keine große Überraschung, denn wie das Gericht feststellte, hätte man bereits ab dem Jahr 2004 das Dach verändern können, damit der Marder sicher hätte ausgesperrt werden können. Eine derartige Präventivmaßnahme zu diesem Zeitpunkt wäre allerdings auch keine außergewöhnliche Belastung gewesen. Der wilden Natur sind schließlich alle Hausbesitzer ausgesetzt und sie ist deshalb nichts Außergewöhnliches.

Etwas komisch war der Rat, den die Richter den Eheleuten Wieselei noch mitgaben: Der Marderbefall hätte durch vorbeugende Maßnahmen wie eng getaktete Kontroll- und Vergrämungsmaßnahmen verhindert werden können, meinten sie. Dieser Rat ist deshalb komisch, weil fraglich ist, ob das so vom Tierschutz gedeckt ist. Außerdem drängt sich der Verdacht auf, dass die Richter – vielleicht mit Ausnahme von angeknabberten Benzinleitungen im Auto – selbst noch keinen näheren Umgang mit Mardern hatten. Wer der Meinung ist, mit dieser Taktik erfolgreich zu sein, sollte berücksichtigen, dass Marder die ganze Nacht sehr aktiv und sehr, sehr ausdauernd sind.

10 F wie … Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf

Natürlich sind unsere Kinder etwas Wunderbares, doch ohne Zweifel sind sie „im Unterhalt“ nicht ganz billig. Bei der Beteiligung an diesen Kosten ist der Staat recht zurückhaltend, gleichwohl gibt es finanzielle Unterstützungen. So finden sich im Einkommensteuergesetz entsprechende Freibeträge zur Berechnung der Steuerbelastung, wie etwa der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (kurz: BEA-Freibetrag).

Die aktuelle Rechtslage sieht vor, dass für jedes Elternteil ein Freibetrag von 1.320 Euro im Kalenderjahr notiert werden kann, also glatte 110 Euro pro Monat. Für den Fall, dass das minderjährige Kind mit den verheirateten Eltern in einem Haushalt lebt, nutzen die Eltern die Freibeträge zusammen bei ihrer (gegebenenfalls gemeinsamen) Steuerveranlagung.

Leben die Eltern getrennt, kommt es zunächst darauf an, bei welchem Elternteil das Kind gemeldet ist. Dieses Elternteil hat dann zunächst einmal das Recht, auch den BEA-Freibetrag des anderen Elternteils bei sich zusätzlich zu berücksichtigen. Doch immer häufiger wohnen die Kinder von getrenntlebenden Eltern wechselseitig. Deshalb kann bereits seit dem Jahr 2012 der automatischen Übertragung auf das „Hauptelternteil“ widersprochen werden, wenn das andere Elternteil ebenfalls Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang von ihm betreut wird.

Bei volljährigen Kindern bleibt der BEA-Freibetrag immer bei seinem Elternteil, es sei denn, dieses kann den Freibetrag nicht nutzen – etwa, weil er oder sie im Ausland lebt oder bereits verstorben ist.