Infobriefe

Infobrief September 2022

26.10.2022

 „Bin ich ihnen nicht schon Maske genug?“

Johann Wolfgang von Goethe (Reisetagebuch: Venedig, 4. Oktober 1786)



Liebe Mandanten,
liebe Geschäftsfreunde,

vom Sommerloch kann auch in diesem Jahr keine Rede sein – der Ukraine-Krieg und Corona halten die Welt in Atem. Doch immerhin gab es im Juli auch gute Nachrichten, als die Fußballnationalmannschaft der Frauen bei der EM in England glänzte und sich den zweiten Platz erspielte. Und Sommerloch hin oder her: Schlangen und Krokodile, die es traditionell füllen, sorgten auch diesmal wieder für Schlagzeilen. Zwar war die Kobra, für die die Polizei in Neustrelitz ausrückte, dann doch nur aus Gummi, aber da war ja zum Beispiel auch noch die Python, die sich in Hannover durch ein Treppenhaus schlängelte. Und unweit von Aschersleben in Sachsen-Anhalt meinte man tatsächlich, ein Krokodil in der Wipper entdeckt zu haben …

Gänzlich reptilienfrei geht es hingegen in dieser Infobrief-Ausgabe zu. Hier drehen sich die Geschichten eher um Erbschaftsteuer und Nachlassverbindlichkeiten oder auch um Nummernschilder, für die wahrhaftig eine Verwahrgebühr von über 2000 Euro fällig werden sollte. Warum die Kleidung zweier Trauerredner den Bundesfinanzhof beschäftigte, erfahren Sie ebenfalls auf den folgenden Seiten.

Wir wünschen Ihnen eine kurzweilige, informative Lektüre. Haben Sie einen goldenen Herbst!

Ihr Team von Wagemann + Partner

1 Mit steigender Tendenz: Nachlassverbindlichkeiten

Was eine Erbschaftsteuer ist und wann sie fällig wird, ist sicherlich den meisten Leserinnen und Lesern unseres Infobriefes bekannt. Über Jahrzehnte hinweg war es ein thematischer Dauerbrenner, mit welchen konkreten Werten das übertragene Vermögen bei der Veranlagung zur Erbschaftsteuer berücksichtigt werden muss. Diesbezüglich haben sich inzwischen einige Fragen geklärt, und so ist es nicht verwunderlich, dass sich der Fokus zunehmend auf die Höhe der berücksichtigungsfähigen Nachlassverbindlichkeiten richtet, die vom erbschaftsteuerpflichtigen Nachlass abgezogen werden können.

Solche Nachlassverbindlichkeiten können vorhandene Schulden sein, wie etwa klassische Darlehen, die vom Erblasser selbst herrühren und so auch als Erblasserschulden tituliert werden. Diesen Punkt zu klären, ist im wahren Leben relativ unspektakulär, denn meistens gibt es Kontoauszüge und dergleichen, die darüber Auskunft geben.

Die zweite Kategorie der Nachlassverbindlichkeiten sind die Erbfallschulden. Sie betreffen Vermächtnisse, Auflagen und geltend gemachte Pflichtteile sowie Erbersatzansprüche. Hier geht es also um einzelne Bestandteile des Nachlasses, die nicht an die Erbengemeinschaft übertragen werden (sollen), sondern an dritte (natürliche oder juristische) Personen. Und dies ist sicherlich der Bestandteil einer Nachlasspflege, der mit den meisten Emotionen und Streitgelüsten einhergeht.

Für die Ermittlung der Höhe der fälligen Erbschaftsteuer ist es aber egal, mit welchem Wert diese Kategorie der Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt wird. Denn mit der gleichen Zahl, mit der sie als Bestandteil des Nachlasses identifiziert wurde, wird sie am Ende wieder herausgerechnet.

Die dritte verbleibende Kategorie der Nachlassverbindlichkeiten sind die Nachlasserbenschulden, also die Berücksichtigung von Kosten für die Bestattung des Erblassers, für ein angemessenes Grabdenkmal, für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie von Kosten, die dem Erwerber im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen können. Hier gibt es einen gesetzlichen Freibetrag in Höhe von 10.300 Euro.

Die Zahl lässt es erahnen: Es ist der geglättete Umrechnungsbetrag von 20.000 DM. In dem berühmten „Früher“ – also bevor der Euro hierzulande als Zahlungsmittel eingeführt wurde – war es so, dass dieser Betrag „ganz dicke“ ausreichte. Aber Jahr für Jahr wird deutlicher, dass diese Zeiten vorbei sind. Vielmehr übersteigen die tatsächlichen Nachlasserbenschulden immer häufiger den Freibetrag, und so werden sie zum Gegenstand grundsätzlicher Diskussionen mit dem zuständigen Erbschaftsteuer-Finanzamt.

So hatte konkret im Oktober 2020 der Bundesfinanzhof entgegen der zuvor artikulierten Verwaltungsauffassung des Bundesministeriums der Finanzen klargestellt, dass Steuerberatungskosten des Erben für die Nacherklärung von Steuern, die der Erblasser hinterzogen hat, als Nachlassregelungskosten abzugsfähig sind. Darüber hinaus hat das Gericht bei dieser Gelegenheit entschieden, dass die Kosten für die Haushaltsauflösung und Räumung der Erblasserwohnung ebenfalls abzugsfähig sein können.

Nun ist es so, dass die Finanzverwaltung stets ein ausgeprägtes Ganzkörperunwohlsein entwickelt, wenn irgendwelche Umstände im groben Umfeld einer Steuerhinterziehung dazu führen könnten, dass eine Steuer ein winziges Stück reduziert werden könnte. Daher hat man sich auch hier beim Bundesministerium der Finanzen zusammengesetzt und überlegt, wie man dieses nicht ignorierbare Urteil des Bundesfinanzhofs so herunterkochen kann, dass der dort verhandelte Sachverhalt als verrückter Einzelfall in der Welt steht und für die Allgemeinheit keine Bedeutung hat.

Das Ergebnis ist eine Verlautbarung des Bundesministerium der Finanzen, dass die von den Erben getragenen Steuerberatungskosten, die im Rahmen der Einkommensteuerpflicht des Erblassers anfallen, natürlich als Erblasserschulden (das war die erste der oben beschriebenen Kategorien) abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten sein können, soweit sie vom Erblasser herrühren. Eine solche Schuld setzt selbstredend voraus, dass der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten die Steuerberatung beauftragt hat (#Verursacherprinzip). Hierunter fällt auch eine über den Tod des Erblassers hinausgehende Beauftragung, solange diese nicht durch eine Kündigung seitens des Erben beendet wird. Beauftragt erst der Erbe nach dem Tod des Erblassers die Steuerberatung, liegen – leider – keine Erblasserschulden vor. Wenn dagegen Steuerberatungskosten entstehen, weil die Erben sich nicht nur aus Spaß an der Freude veranlasst gesehen haben, bisher nicht bekannte Einkünfte nachzuerklären, also wenn die Gesamtrechtsnachfolger tatsächlich eine Berichtigungspflicht hinsichtlich der noch vom Erblasser abgegebenen Steuererklärungen haben, dann – aber natürlich nur dann – können diese Kosten als Nachlasserbenschulden berücksichtigt werden. Die Kosten für die Erstellung der Erbschaftsteuererklärung selbst bleiben weiterhin in der dritten Kategorie, also ebenfalls bei den Nachlasserbenschulden, wobei es hier merkwürdigerweise wieder egal wäre, ob der Erblasser oder der Erbe den Steuerberater dazu beauftragt hat.

Selbstverständlich muss hier abgewartet werden, was der Bundesfinanzhof bei passender Gelegenheit zur Idee des Bundesministeriums der Finanzen sagen wird. Die davon persönlich betroffenen Erben werden damit oftmals sehr schlecht umgehen können. Im wahren Leben haben die Erben einfach sehr oft einen anderen Steuerberater als der Erblasser, was sicherlich nicht nur persönliche Gründe hat. Die Erben wären nicht gut beraten, eine Steuererklärung für den Erblasser zu unterschreiben, die der „alte“ Steuerberater nach dem „alten“ Schema vorbereitet hat.

Bezüglich der Kosten für die Haushaltsauflösung und für die Räumung der Wohnung des Erblassers interpretiert nun das Bundesministerium der Finanzen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs so, dass die Kosten hierfür lediglich vom Nachlass abgezogen werden können, soweit die Auflösung des Haushalts des Erblassers darauf gerichtet ist, festzustellen, inwieweit die in der Wohnung befindlichen Gegenstände zum Nachlass gehören. Während die Durchsicht des gesamten Hausrats zur Feststellung des Nachlasses gehört, gehört das Ausräumen im Regelfall bereits zur Verwertung und damit zur nichtabzugsfähigen Verwaltung des Nachlasses. Auch hier gibt es leider keine praktische Lebenshilfe, wie man das trennen soll, aber die bundesfinanzministeriale Runde konnte sich zu folgender Vereinfachungsregelung durchringen: „Kosten für die Auflösung des Haushalts und Räumung der Wohnung des Erblassers, welche in den ersten sechs Monaten nach dem Erbfall entstehen, sind aus Vereinfachungsgründen der Feststellung des Nachlasses zuzurechnen. Für anschließend entstehende Kosten hat der Steuerpflichtige darzulegen, dass die Kosten aufgrund der Umstände des Einzelfalls zur Feststellung des Nachlasses gehören.“

Im Gesetz ausdrücklich als Beispiel für Nachlasserbenschulden genannt, sind die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal. Bei einem Erbfall im Jahre 2017 in München, bei dem der Bruder als gesetzlicher Alleinerbe die Angelegenheiten des Verstorbenen zu regeln hatte, beliefen sich allein die Kosten für das Grabdenkmal auf 9.300 Euro. Das sollte aber lediglich eine Zwischenlösung sein, nämlich für die Zeit, bis das zu errichtende Mausoleum mit veranschlagten Kosten in Höhe von 420.000 Euro fertiggestellt ist. Unter Berücksichtigung dieser Eckwerte ist es wohl keine Überraschung, dass hierzu eine Fachmeinung des Bundesfinanzhofs benötigt wurde.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal nur die Aufwendungen für das zeitlich zuerst errichtete Grabdenkmal zählen. Ausnahmen bestehen dann, wenn die Erben durch die äußeren Umstände oder aufgrund des Willens des Verstorbenen keine andere Wahl haben, als die sterbliche Hülle des teuren Toten für die Ziel-Bestattung „ordentlich“ aufzubewahren. So wurde das Verfahren vom Bundesfinanzhof wieder zum Finanzgericht München zurückgeschickt, damit in dieser dafür zuständigen Instanz die fehlenden Feststellungen getroffen werden, ob sich die Erstgrabstätte lediglich als provisorische Zwischenlösung dargestellt hat. Ferner müssen ausreichende Nachweise für die tatsächliche Errichtung des zweiten Grabdenkmals sowie die Zahlung der behaupteten Aufwendungen vorliegen. Sollten diese Voraussetzungen zu bejahen sein, muss dort beim Finanzgericht auch noch über die Angemessenheit des Aufwands für die Zweitgrabstätte befunden werden. Für Letzteres müssen folgende Aspekte berücksichtigt werden: die Lebensstellung des Erblassers, welche Auffassungen und Gebräuche in seinen Kreisen zum Anspruch einer würdigen Bestattung gehören und nicht zuletzt auch die Höhe des Nachlasses.

Für all diejenigen, die nicht die Erwartungshaltung gegenüber ihrer Familie haben, in einem Mausoleum bestattet zu werden, ergibt sich aus dem hier erörterten Urteil des Bundesfinanzhofs die wiederholte Bestätigung, dass ein klar geregelter Nachlass immer sehr hilfreich ist.

2 Humane Altersbestimmung

Als das Jahr 1999 zu Ende ging, bestand die allgemeine Befürchtung, dass der Wechsel zum Jahr 2000 und die damit zusammenhängende Datumsumstellung womöglich hochproblematisch für Computersysteme werden könnten. Die Krisenszenarien waren nicht unberechtigt, und mit viel Aufwand wurde der ganz große Blackout verhindert. Gleichwohl erfolgte die Umstellung nicht überall makellos und fehlerfrei. So fiel beispielsweise für kurze Zeit die Anzeige der Steuerstäbe im Atomkraftwerk Fukushima aus, das bekanntlich später noch einmal richtig auf sich aufmerksam machte.

Auch Arthur Flich aus Stade meinte, Opfer einer fehlerhaften Datenspeicherung zu sein. Er meldete sich im Jahr 2021 bei der Rentenversicherung und wies darauf hin, dass er 1919 geboren worden sei und deshalb bereits seinen 102. Geburtstag gehabt hätte – aber noch immer keine Rentenzahlungen bekäme. Bei der Rentenversicherung wurde daraufhin der Computer bemüht, der laut Versicherungskonto das Geburtsjahr 1973 und damit ein Alter von 48 Jahren für Flich „ausspuckte“.

In der Berufung, also bereits in der zweiten Instanz, musste das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Sitz in Celle für die gewünschte Rechtsruhe sorgen. Dafür nahm es natürlich Flich selbst in Augenschein. Flich leidet an einer spastischen Lähmung, saß bei der Verhandlung gebeugt an seinem Platz, das Haar graumeliert und dicht. Er sah so aus, wie man mit knapp 50 eben aussieht. Weiterhin brachte das Gericht in Erfahrung, dass Flich als Verwaltungsfachangestellter beim Landkreis Stade in Vollzeit arbeitet.

Um seine angeblichen Rentenansprüche zu untermauern, legte Flich aber eine eidesstattliche Erklärung und eine selbst verfasste „Geburtsbescheinigung“ vor. Außerdem erwähnte er einen Unfall, den er 1973 erlitten habe, über den er aber „aus Sicherheitsgründen“ nicht weiter sprechen dürfe. Auf die Rückfrage des Richters, welche Sicherheitsgründe das denn sein sollten, antwortete Flich: „Das muss ich hier nicht erläutern.“   Mit den sprichwörtlichen Engelszungen versuchte der Richter, Flich zur Rücknahme der Klage zu bewegen. Auch die Belehrungen, dass Flichs Verhalten selbst strafrechtlich relevant sein könnte, brachten ihn nicht zur Abkehr, und so musste Recht gesprochen werden: Das Gericht weist – natürlich – die Berufung zurück, und Flich muss die Kosten des Verfahrens (1000 Euro) tragen. Es ist allerdings nicht überliefert, ob Flich das als Bestrafung empfand oder eher als Vergütung für sein Vergnügen.

3 Staking, Lending und Airdrops für den Hausgebrauch

Die Existenz virtueller Währungen wie Bitcoin kann inzwischen als „alter Hut“ klassifiziert werden. Wer sich ein kleines bisschen damit beschäftigt hat, weiß, dass im Grundsatz jeder Bitcoins eintauschen kann, der die dafür notwendige elektronische Geldbörse eingerichtet hat, dass die Passwörter für dieses Portemonnaie viel zu groß sind, um sie auf einem Post-It zu notieren und dieses dann unter die Tastatur zu kleben und dass es sich traditionell-finanziell lohnen könnte, in den Tiefen der mathematischen Zahlenwelt zu schürfen, um neue Kettenglieder zur Verlängerung der virtuellen Geldmenge zu finden.

Aber die elektronische Welt steht natürlich nicht still und wartet nicht auf alle, die mitreisen möchten. Das Ergebnis sind Entwicklungen, bei denen man dem Ideengeber die geistige Zurechnungsfähigkeit absprechen würde, wenn der Erfolg ihm nicht auch noch Recht geben würde. So werden unterdessen auch virtuelle Immobilien fleißig und für viel Geld ge- und verkauft. Oder Bitmuster sehen aus wie Passbilder von Affen und können – ausgedruckt – als Originale zu Hause in die gute Stube gehängt werden.

Um den Faden nicht gänzlich zu verlieren, hat das Bundesministerium der Finanzen am 15. Mai 2022 in einem Schreiben an die deutsche, interessierte Allgemeinheit zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token Stellung genommen. Das 24-seitige Ministeriumsschreiben behandelt verschiedene Krypto-Sachverhalte, die technisch erläutert und ertragsteuerrechtlich eingeordnet werden. Neben dem An- und Verkauf etwa von Bitcoin oder Ether betrifft dies insbesondere die Blockerstellung (bei Bitcoin Mining genannt).

Daneben beschäftigt sich das Ministeriumsschreiben mit Staking, Lending, Hard Forks, Airdrops, den ertragsteuerrechtlichen Besonderheiten von Utility und Security Token sowie Token als Arbeitnehmereinkünfte. In dem Schreiben wird klargestellt, dass für private Veräußerungsgeschäfte hier bei den virtuellen Währungen die Zehnjahresfrist keine Anwendung findet. Damit ist bei Privatpersonen der Verkauf von erworbenen Bitcoin und Ether nach einem Jahr steuerfrei. Die Frist verlängert sich auch dann nicht auf zehn Jahre, wenn etwa Bitcoin zuvor für Lending genutzt wurden oder die Steuerpflichtigen beispielsweise Ether einem anderen für dessen Blockerstellung als Stake zur Verfügung gestellt haben.   Liebe Leserinnen und liebe Leser, mit diesem Beitrag möchten wir Sie nur grundsätzlich informieren, dass es mit dem Ministeriumsschreiben eine Rechtsentwicklung gegeben hat. Auf die einzelnen Begriffsdefinitionen einzugehen und in alle steuerlichen Ecken hineinzuleuchten, würde den Rahmen dieses Infobriefes deutlich sprengen. Zur Vermeidung von Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte gezielt das Internet und Ihren steuerlichen Berater.

4 Parkgebühren für Nummernschild pur

Am 29. Dezember 2020 wurde Dieter Dörschli in Trier freundlich begrüßt: „Guten Tag, allgemeine Verkehrskontrolle.“ Wie es bei dieser Gelegenheit um den Alkohol in seiner Atemluft bestellt war, ob im Verbandskasten alle Pflaster und Binden anwesend waren und ob das Warndreieck ordentlich eingerastet ist, ist nicht überliefert. Offenbar brachte die um das Auto gelaufene Runde aber die Erkenntnis, dass die EU-Kennung der beiden an Dörschlis Fahrzeug montierten Kfz-Kennzeichen mit schwarzer Folie abgeklebt war und dem vorderen Kfz-Kennzeichen die Stempelplakette fehlte.   Im Laufe der Kontrolle erläuterte Dörschli den Polizisten, dass er sich aus farb-optischen Gründen diesen Satz Kennzeichen angeschafft habe und die Original-Kennzeichen immer im Fahrzeug mitgeführt werden. Also forderten die Polizeibeamten Dörschli auf, die Kennzeichen zu wechseln. Dörschlis Reaktion lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Das mache ich, aber wenn Ihr weg seid, baue ich die anderen wieder an.“

Quasi wie auf Ansage wurden daraufhin die „schönen“ Kennzeichen konfisziert. Nicht viel später, im Januar 2021, wurde Dörschli per Post aufgefordert, der Verwertung seiner Paradeschilder zuzustimmen, und es wurde auf eine Verwahrgebühr in Höhe von 7 Euro je Tag hingewiesen. Dann passierte zunächst nichts mehr. Erst im Dezember 2021 informierte die Behörde Dörschli darüber, die Kennzeichen nunmehr verwerten zu wollen. Für die bis dahin vergangenen 333 Tage, in denen sie die Nummernschilder wertschätzend verwahrt hatte, wurde per Bescheid eine Gebühr von 2.331 Euro festgesetzt.

Da Dörschli damit einen Grund zum Klagen hatte, hob daraufhin das zuständige Verwaltungsgericht Trier den Gebührenbescheid auf und verwies in der Urteilsbegründung auf die Kostenminderungspflicht des Landes. Geringwertige Gegenstände, an denen kein erkennbares ideelles Interesse bestehe, seien nach der Sicherstellung in einem verhältnismäßigen Zeitraum zu verwerten oder zu vernichten. Im vorliegenden Einzelfall wären bei einem Kfz-Kennzeichen, das zu Preisen von unter 10 Euro erworben werden könne, 14 Tage erforderlich, aber auch ausreichend gewesen, um zu ermitteln, ob die Voraussetzungen für die Verwertung bzw. Vernichtung vorgelegen hätten. Da Dörschli nach der Sicherstellung der Kennzeichen keine Maßnahmen ergriffen hatte, um die Verwahrung umgehend nach Sicherstellung zu beenden, waren die festgesetzten Verwahrungsgebühren rechtswidrig und der Bescheid daher aufzuheben.

5 Typische Berufskleidung ist nicht freizeittauglich

Bis zum September 2008 war Hanny Petter als Trauerrednerin selbständig tätig. Danach wurde sie im Betrieb ihres Ehemannes Harald Petter angestellt, der ebenfalls als selbständiger Trauerredner und Trauerbegleiter tätig war. Für die Jahre 2008 bis 2010 machte Harald Petter bei der Gewinnermittlung Aufwendungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung für sich und seine Frau als Betriebsausgaben geltend. Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte das Finanzamt zu der Überzeugung, dass diese Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar wären. Auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg kam zu keinem anderen Ergebnis. Dabei hatten die Petters hoch emotional darauf hingewiesen, dass sie sich die Kleidung, die sie zum Reden und Begleiten von Trauernden anziehen, niemals in der Freizeit überstreifen würden.

Da die Petters sich nicht mit dem Urteil der Richter in Cottbus abfinden konnten und sich (merkwürdigerweise) durch die Zulassung der Revision auch die Gelegenheit dafür bot, wurden sodann auch die Richter des Bundesfinanzhofs zu ihrer Rechtsauffassung befragt. Sie hoben das Urteil des Finanzgerichts tatsächlich auf und schoben die weitere Verhandlung dorthin zurück. Die Rücksendung hatte allerdings nur damit zu tun, dass die Richter des Finanzgerichts übersehen hatten, dass Hanny Petter möglicherweise Arbeitnehmerin bei Harald Petter war und dann ein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug bei Hanny zu berücksichtigen wäre.

Bei der wichtigen Frage der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für bürgerliche Kleidung war das Urteil des Bundesfinanzhofs eindeutig: Nein, natürlich nicht. Zu Begründung führten die hohen Richter aus, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar und nicht aufteilbar sind. Da es im Gesetz so geregelt ist, sind dagegen zwar Aufwendungen für typische Berufskleidung als Betriebsausgaben abziehbar, aber die – typische – Kleidung der Trauerredner ist keine typische Berufskleidung, sondern eine Kleidung, deren Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt bzw. die gewöhnlich privat getragen werden kann. Hier liegt also die Betonung auf dem Wörtchen „kann“; ob die betroffenen Personen das dann wirklich machen oder nicht, ist für die steuerliche Beurteilung irrelevant.

Leider war der Sachverhalt in diesem Falle viel zu eindeutig, als dass die Eheleute Petter eine Chance hätten haben können. Der Fall wäre sicherlich um einiges spannender gewesen, wenn die Petters ihre Trauerbegleitungskleidung im Trauerbegleitungsbedarfsverkauf und nicht im schicken Bekleidungs(kauf)haus erworben hätten. Wenn man von einer typischen Berufskleidung sprechen möchte, kann man wohl außerdem mehr Fantasie bei der Auswahl der Kleidung erwarten; schließlich muss nicht jeder, der einen dunklen Anzug trägt, deshalb Trauerredner sein. Auch ein Handwerker, der bei der Arbeit gerne Jeans und Wollpullover trägt, entscheidet sich beim Kauf der Sachen im Kaufhaus ohne „Wenn“ und „Aber“ für die bürgerliche Kleidung und damit für die entsprechende steuerliche Qualifikation. Die bei den einschlägigen Anbietern für typische Arbeitskleidung angebotenen Artikel können teurer sein, müssen es aber nicht. Wenn sie teuer sind, dann liegt das sicher nicht nur am Namen des Anbieters und dem Logo mit dem langbeinigen Federvieh von der südlichen Erdhalbkugel, sondern auch daran, dass sie dem handwerkelnden Träger deutlich mehr Schutz vor mechanischen Gefahren bieten als das lockere Sommerhöschen aus dem Schlussverkauf.

6 Steuerentlastung – schon jetzt für 2022 

Früher, in der guten alten Zeit, hatten Fachleute fürs Steuerrecht über das gesamte Kalenderjahr hinweg ihre Ruhe vor Gesetzesänderungen in ihrem Metier. Nur hin und wieder und ab dem Sommerloch wurden aus den politischen Lagern heraus Testballons gestartet, um herauszufinden, ob neue, schlaue Ideen von der breiten Masse der Beteiligten euphorisch aufgenommen werden. Wenige Stunden vor der Silvesterknallerei wurde dann ein Jahressteuergesetz in die Welt gesetzt, das mehr oder weniger erfolgreich war. Inzwischen ist das jedoch anders, und in diesem Jahr hat der Bundesrat bereits am 20. Mai das Steuerentlastungsgesetz 2022 durchgewunken, durch das die deutsche Bevölkerung um 16,3 Mrd. Euro entlastet werden soll.

Der erste Baustein dieses Pakets ist die Gewährung einer Energiepreispauschale. Zur Abfederung der deutlich gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen wird aktiv tätigen Erwerbspersonen, die unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, für den Veranlagungszeitraum 2022 eine einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro gewährt. Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmer, die Arbeitslohn aus einem aktiven Dienstverhältnis beziehen einschließlich kurzfristig und geringfügig Beschäftigten sowie steuerpflichtige Erwerbstätige, die Gewinneinkünfte erzielen (also auch Gewerbetreibende und Freiberufler).

Der vorgesehene Normalfall für Arbeitnehmer sieht so aus, dass die Energiepreispauschale im September 2022 vom Arbeitgeber ausgezahlt wird. Die Arbeitgeber holen sich über die Lohnsteuer-Anmeldung die an die Arbeitnehmer ausgezahlten Energiepreispauschalen vom Fiskus zurück. Wenn es keinen Arbeitgeber gibt, dann wird die Energiepreispauschale über die Einkommensteuererklärung und -veranlagung für den Veranlagungszeitraum 2022 gezahlt, und damit nicht auf die Veranlagung gewartet werden muss, werden all diese Vorauszahlungen zur Einkommensteuer für das III. Quartal 2022 per gesondertem Vorauszahlungsbescheid geändert, das heißt, diese einzelne Vorauszahlung wird um 300 Euro gekürzt.   Leider müssen die Jubelfahnen zur Energiepreispauschale aber wieder ein gutes Stück eingerollt werden, denn die Auszahlung der Energiepreispauschale ist beim Empfänger einkommensteuerpflichtig.

Als zweite vorgesehene Entlastung wird ein gesonderter Kinderbonus 2022 in Höhe von einmaligen, zusätzlichen 100 Euro für jedes Kind gezahlt, für das ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Dieser Bonus ist bei den Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, aber ob und inwieweit er am Verfahren zur Günstigerprüfung von Kindergeld und Kinderfreibeträge teilnimmt, war bis Redaktionsschluss noch nicht eindeutig geklärt.   Der dritte Bestandteil der vorgesehenen Entlastung ist die ab dem 1. Januar 2022 vorgezogene Anhebung der Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ab dem 21. Kilometer auf 38 Cent. In gleicher Höhe wird auch die erhöhte Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer für Steuerpflichtige mit doppelter Haushaltsführung rückwirkend auf den Veranlagungszeitraum 2022 vorgezogen.

Als vierte Entlastung wurde die ab 2022 geltende Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags auf einen Betrag in Höhe von 1.200 Euro beschlossen. Ebenfalls rückwirkend ab dem gesamten Jahr 2022 wird der Grundfreibetrag um 363 Euro (also knapp einem Euro pro Tag) auf 10.347 Euro angehoben. Im Übrigen bleibt der Steuertarif allerdings unverändert, aber bis Silvester ist ja noch etwas Zeit und man soll die natürlich die Hoffnung nie aufgeben.

7 Zehn-Tagesregelung bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung 

Alle Gewerbetreibenden, die aufgrund der Rechtsform oder durch die Größe des Unternehmens bereits aus dem Handelsrecht heraus verdonnert sind, eine richtige und ordentliche Buchhaltung zu erledigen, müssen auch Jahresabschlüsse machen, die (mindestens) aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung bestehen. Für diesen Jahresabschluss erfolgt eine genaue Periodenabgrenzung, das heißt, es werden auch die Erträge und Aufwendungen berücksichtigt, die das Wirtschaftsjahr betreffen, auch wenn das Geld zum Stichtag noch nicht geflossen war.

Bei allen anderen Unternehmern, also den kleineren Gewerbetreibenden oder den Freiberuflern, werden bei der Ermittlung des Jahresergebnisses nur die Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt, die in dem betreffenden Kalenderjahr auch wirklich geldmäßig geflossen sind. Von diesem Grundsatz gibt es die Ausnahme der sogenannten 10-Tage-Regel. Diese gesetzlich kodifizierte Regel besagt, dass regelmäßig wiederkehrende Einnahmen oder Ausgaben, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zu- bzw. abgeflossen sind, steuerlich zu diesem Kalenderjahr gehören.

Der Gewerbebetrieb von Arthur Wieselei war im Jahr 2017 nicht so groß, dass er zur Buchführung verpflichtet war, und so wurde sein Jahresgewinn durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Aus welchen Gründen auch immer, zahlte er die Umsatzsteuer für die Monate Mai bis Juli 2017 verspätet erst am 9. Januar 2018 und machte die Zahlung dennoch als Betriebsausgabe für das Streitjahr 2017 geltend. Das Finanzamt gewährte den Abzug nicht. Es meinte, es lägen keine regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben im Sinne des Gesetzes vor, da die betroffene Umsatzsteuer nicht rund um die Jahreswende 2017/2018, sondern weitaus früher fällig geworden war.

Einspruch und auch die Klage beim Finanzgericht München gegen den Einkommensteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid hatten keinen Erfolg, und so wurde der Fall zum Bundesfinanzhof weitergetragen.

Aber auch bei dieser Instanz blieb Wieselei erfolglos. Die Richter des Bundesfinanzhofs bestätigten zwar, dass es sich bei den Umsatzsteuerzahlungen um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben handelt; hinzukommen muss aber, dass die jeweilige Ausgabe auch kurze Zeit vor bzw. nach Ende Jahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden ist. Durch die 10-Tage-Regel sollen steuerliche Zufälligkeiten vermieden werden, die dann entstehen, wenn die Zahlung – je nach Zahlungszeitpunkt – mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigt wird. Andernfalls könnten nämlich dann auch Nachzahlungen für längst fällig gewordene Verpflichtungen zu einem vom Zeitpunkt der Zahlung unabhängigen Betriebsausgabenabzug führen. Eine solche Handhabung widerspricht allerdings dem grundsätzlich für die Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden Prinzip der Kassenrechnung.

So weit ist dieses Urteil des Bundesfinanzhofs sicherlich nachvollziehbar, auch wenn die Formulierung der Bedingung einer Entstehung der Fälligkeit in diesem Zeitkorridor von zweimal 10 Tagen (so) neu ist und sich nicht direkt aus dem Gesetzestext herauslesen lässt. Spannend ist hier allerdings die Rechtsentwicklung in der Zukunft: Beim Bundesfinanzhof ist nämlich ein weiterer, ähnlicher Fall anhängig, für den aufgrund der Geschäftsordnung des Gerichts ein anderer Senat zuständig ist, und es soll auch schon vorgekommen sein, dass andere Richter auch andere Rechtsauffassungen haben.

8 L wie … Leibrente

Bei der Leibrente gilt es, genau auf die Rechtschreibung zu achten. Denn wir wollen hier nicht auf die Besonderheiten der Laibe eingehen, die in runder, ovaler, länglicher oder rechteckiger Form beim Bäcker im Regal ausliegen. Vielmehr berichten wir über die finanzielle Absicherung des lebendigen menschlichen Körpers. Da die Idee zu dieser Absicherung nicht neu ist, wird mit dem Wort „Leib“ ein Begriff verwendet, der sonst im allgemeinen Sprachgebrauch kaum noch präsent ist.

Landauf und landab werden unter der Leibrente wiederkehrende Zahlungen verstanden, die bis zu einem bestimmten Ereignis – üblicherweise auf Lebenszeit – gezahlt werden. Der erste Leibrentenvertrag, den die Archive bisher freigegeben haben, soll aus dem Jahr 1308 stammen, und es sollen der Abt von St. Denis (also der französischen Stadt in der Nähe von Paris) und der Erzbischof von Bremen daran beteiligt gewesen sein. Dies vermeldete jedenfalls der österreichische Rechtswissenschaftler Armin Ehrenzweig im 7. „Ehrenzweigs Assekuranzjahrbuch“. Da Ehrenzweig aber nicht darauf einging, wer von beiden die Rente bekommen sollte, stellen sämtliche Quellen ebenfalls nur fest, dass es diesen Vertrag gegeben habe. Bestätigt wird allerdings, dass sich danach die Kanonisten der katholischen Kirche mit der Frage beschäftigten, ob es Leibrenten überhaupt geben darf, weil die Verkäufer der Rente durch den Kontrakt veranlasst sein könnten, den Tod der Rentenbezieher zu wünschen. Hinzu kam, dass der Rentenkauf eine praktische Alternative zum Zinsnehmen war, was durch das kanonische Recht im Mittelalter verboten war.

Der Begriff der Rente wird den meisten in diesem Zusammenhang geläufiger sein. Die Kolleginnen und Kollegen, die ausreichend Geld in die Rentenversicherung eingezahlt haben, bekommen – wenn sie das notwendige Alter erreicht haben – jeden Monat eine Rente ausgezahlt. Die Höhe der Rente ist natürlich davon abhängig, wie viel man vorher eingezahlt hat. Das klingt einfach, ist es aber nicht. In der Praxis ist das (deutsche) System der Rentenversicherung eine riesige Glaskugel mit zwei unbekannten Variablen: Wie viel Geld kommt künftig in den Topf hinein? Und wie alt werden die Rentenempfänger? Aber auch bei den privaten Rentenversicherern stehen die stochastischen Herausforderungen im Raum, und so wird praktisch bei jeder neu vereinbarten Leibrente eine Wette auf das Leben des Versicherten abgeschlossen. Das klingt nicht schön, aber genau diese Wette sorgt für die finanzielle Absicherung im Alter.

Gleichwohl ist die Altersrente lediglich ein Anwendungsfall für Leibrenten. Ein weiteres, größeres Anwendungsgebiet ist die Übertragung von Immobilien für die Zahlung einer Leibrente. Die Berechnung der Rentenhöhe ist hier wohl etwas einfacher: Der Kaufpreis wird über die statistisch zu erwartende Rest-Lebenszeit des Verkäufers abgezinst („Der Betrag wird verrentet“). Käufer und Verkäufer der Immobilie müssen sich also „nur noch“ auf einen Zinssatz einigen…