8. Oktober 2024

Gewerbesteuerlicher Verlustvortrag bei Umstrukturierung

Geht ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag einer
Personengesellschaft im Wege der sog. Anwachsung auf eine bereits als
Gesellschafterin beteiligte Kapitalgesellschaft über und verkauft die
Kapitalgesellschaft später den verlustverursachenden Geschäftsbereich, führt
dies nicht zum Untergang des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags. Für einen
Untergang gibt es nämlich keine Rechtsgrundlage.

Hintergrund: Entsteht ein
gewerbesteuerlicher Verlust, wird dieser als Verlustvortrag festgestellt und
kann mit künftigen Gewinnen verrechnet werden. Nach allgemeinen Grundsätzen
setzt die Nutzung eines gewerbesteuerlichen Verlustvortrags aber die
Unternehmeridentität sowie die Unternehmensidentität voraus. Das bedeutet, dass
sowohl der Unternehmer als auch der Unternehmensgegenstand im Jahr der
Verlustentstehung sowie im Zeitpunkt des Verlustabzugs identisch sein müssen.

Sachverhalt: Für die A-GmbH
& Co. KG wurde zum 31.12.2010 ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag i. H.
von ca. 35 Mio. € festgestellt. An der A-GmbH & Co. KG war eine mit
0 % am Vermögen beteiligte Komplementär-GmbH sowie die Klägerin, die ebenfalls
eine GmbH war, als Kommanditistin zu 100 % am Vermögen beteiligt. Im Jahr 2011
wurde die Komplementär-GmbH auf die Klägerin verschmolzen, so dass es nur noch
einen Gesellschafter der A-GmbH & Co. KG gab; deshalb ging das Vermögen der
A-GmbH & Co. KG auf die Klägerin über (sog. Anwachsung). Auch der
gewerbesteuerliche Fehlbetrag von 35 Mio. € ging auf die Klägerin über.
Zum 31.12.2012 stieg der gewerbesteuerliche Verlustvortrag aufgrund der in den
Jahren 2011 und 2012 erlittenen Verluste auf ca. 43 Mio. €. Im Jahr 2013
veräußerte die Klägerin das operative Geschäft, das von der A-GmbH & Co. KG
auf sie übergegangen war, und war fortan nur noch als Holdinggesellschaft
tätig. Das Finanzamt kürzte den gewerbesteuerlichen Fehlbetrag zum 31.12.2013
um 35 Mio. € mit der Begründung, dass aufgrund des Verkaufs keine
Unternehmensidentität mehr bestehe.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2013 beträgt 43
    Mio. €, weil der Verlust nicht aufgrund des Verkaufs des operativen
    Geschäfts untergegangen ist. Für einen derartigen Untergang fehlt es an einer
    Rechtsgrundlage.

  • Zwar kann es nach dem Gesetz zu einem Verlustuntergang kommen,
    wenn der Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht. Im
    Streitfall war diese Voraussetzung aber nicht erfüllt, weil die Klägerin
    lediglich ihr operatives Geschäft verkauft hat, nicht aber ihren gesamten
    Gewerbebetrieb im Jahr 2013 übertragen hat.

  • Auch die weitere Voraussetzung für den Erhalt eines
    gewerbesteuerlichen Verlustvortrags, nämlich die Unternehmer- und
    Unternehmensidentität, war erfüllt.

    • Die Unternehmeridentität der Klägerin als GmbH war
      zwischen den Beteiligten nicht streitig. An der Klägerin als GmbH hatte sich
      nichts geändert.

    • Die Unternehmensidentität bestand ebenfalls. Denn bei
      einer Kapitalgesellschaft ist die Unternehmensidentität grundsätzlich gegeben,
      weil ihre Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, und
      zwar auch im Anschluss an eine Anwachsung.

Hinweis: Im Gegensatz zu einer
Kapitalgesellschaft ist bei einer Personengesellschaft die
Unternehmensidentität zu prüfen. Diese wäre im Streitfall wohl zu verneinen
gewesen, weil die Personengesellschaft nach dem Verkauf des operativen
Geschäfts nicht mehr selbst wirtschaftlich aktiv gewesen wäre, sondern nur noch
als Holding tätig geworden wäre.

Quelle: BFH, Urteil vom 25.4.2024 – III R 30/21; NWB