9. Mai 2025
Unterschiedliche Sterbetafeln für Männer und Frauen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer
Es ist verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden, dass bei der Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen im
Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterschiedliche Sterbetafeln für
Männer und Frauen verwendet werden. Dies dient einer realitätsgerechten
Bewertung, da Frauen länger leben als Männer.
Hintergrund: Für die
Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen wie z.B. von
Nießbrauchsrechten, die dem Nießbrauchsberechtigten bis zum Tod zustehen
sollen, muss ein Kapitalwert ermittelt werden. Hierfür wird ein Jahreswert der
Nutzung ermittelt und mit einem Vervielfältiger multipliziert. Dieser
Vervielfältiger wird anhand der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes
ermittelt. Die Sterbetafel unterscheidet zwischen Männern und Frauen.
Sachverhalt: Ein 74 Jahre
alter Vater übertrug seinen drei Kindern, einem Sohn (Kläger) und zwei
Töchtern, im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge GmbH-Anteile, behielt sich
aber einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Das für die GmbH
zuständige Finanzamt bewertete die Anteile mit einem Wert von ca. 780.000
€. Das für die Besteuerung des Sohns (Klägers) zuständige Finanzamt zog
hiervon den Wert des Nießbrauchs in Höhe von ca. 350.000 € ab, so dass
sich für den Sohn ein Wert der Schenkung in Höhe von ca. 430.000 €
ergab. Bei der Bewertung des Nießbrauchs wandte das Finanzamt die Sterbetafel
für Männer an und gelangte zu einem Vervielfältiger von 8,431 (verbleibende
Lebenserwartung für 74 Jahre alte Männer 11,21 Jahre). Der Kläger machte
geltend, dass sich nach der Sterbetafel für Frauen ein höherer Vervielfältiger
und damit ein höherer Abzug ergeben würde (verbleibende Lebenserwartung für 74
Jahre alte Frauen: 13,28 Jahre).
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage des Sohnes ab:
-
Die unentgeltliche Übertragung
der GmbH-Anteile vom Vater auf den Sohn war schenkungsteuerbar. -
Der Wert der übertragenen
GmbH-Anteile wurde von dem für die GmbH zuständigen Finanzamt mit 780.000
€ festgestellt. Dieser Wert wurde durch den Nießbrauch des Vaters
gemindert. -
Bei der Bewertung des
Nießbrauchs waren die Sterbetafeln für Männer anzusetzen, da der Vater ein Mann
war. Zwar führen die Sterbetafeln zu einer geschlechterbedingten
Ungleichbehandlung. Diese Ungleichbehandlung ist aber
verfassungsrechtlich gefertigt; denn die unterschiedlichen
Sterbetafeln für Männer und Frauen ermöglichen eine gleichheitsgerechte
Belastung der Steuerpflichtigen, weil so die Werte der geschenkten
Vermögensgegenstände zutreffend und realitätsgerecht abgebildet werden können;
denn Männer leben nicht so lange wie Frauen, so dass sie die ihnen eingeräumte
Nutzung und Leistung nicht so lange nutzen können wie eine Frau.
Hinweise: Frauen leben
etwa fünf Jahre länger als Männer. Daher ist es gerecht, einen Nießbrauch, der
einer Frau lebenslang eingeräumt wird, höher zu bewerten als einen Nießbrauch,
der einem Mann lebenslang eingeräumt wird. Denn ein 74 Jahre alter Mann wird
den Nießbrauch statistisch gesehen fünf Jahre weniger nutzen.
Die Verwendung unterschiedlicher
Sterbetafeln für Männer und Frauen kann sich für den Steuerpflichtigen mal
günstiger und mal ungünstiger auswirken. Wird ein Nießbrauch einer Frau
lebenslang zugewendet, muss diese einen höheren Kapitalwert versteuern als ein
Mann, der einen Nießbrauch bis zum Lebensende erhält. Im Streitfall wirkte es
sich aber zum Nachteil des Klägers aus, dass der Schenker ein Mann war und sich
einen lebenslangen Nießbrauch vorbehielt. Dafür wird der Kläger die
GmbH-Anteile statistisch betrachtet fünf Jahre früher unbelastet nutzen können.
Würde der Nießbrauch bei dem 74
Jahre alten Vater nicht länger als fünf Jahre bestehen, könnte die
Schenkungsteuerfestsetzung nach dem Gesetz auf Antrag berichtigt werden. Fällt
der Nießbrauch weg, ist ein Antrag nicht erforderlich.
Quelle:
BFH, Urteil vom 20.11.2024 – II
R 38/22; NWB