Steuern

Brexit – steuerliche Auswirkung

05.12.2016


Der Brexit wurde von der Mehrheit der britischen Wähler in der Volksabstimmung am 23. Juni 2016 gefordert. Seither wurde vielfach diskutiert, ob die Briten wirklich wussten, was sie taten oder ob sich schlichtweg nur die falsche Mehrheit an der Wahl beteiligt hat. Fakt ist, dass der britische Austritt aus der EU bevorsteht.

Niemand kann zum heutigen Zeitpunkt vorhersagen, wann, wie und für welche Teile Großbritanniens der Austritt wirksam wird und welche Folgen für das Land selbst in Politik und Wirtschaft sowie für die verbleibenden EU-Mitglieder zu erwarten sind.

Mit dem Vorliegen der offiziellen Mitteilung der Briten über den EU-Austritt an den Europäischen Rat sollen die EU-Austrittsverhandlungen innerhalb einer 2-Jahresfrist vollzogen werden. Die Frist ist einvernehmlich verlängerbar. Mit Fristende vollzieht sich gleichzeitig der EU-Austritt. Grundsätzlich finden die gegenwärtig geltenden EU-Verträge und Richtlinien/Verordnungen ab diesem Zeitpunkt keine Anwendung mehr. Inwieweit die darin geregelten, bisherigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien dann keine Anwendung mehr finden, werden die Austrittsverhandlungen zeigen. Dies betrifft insbesondere die vier Grundfreiheiten – den freien Kapitalverkehr, die Dienstleistungsfreiheit, die Personenfreizügigkeit und den freien Warenverkehr.

Aus steuerlicher Sicht wird Großbritannien mit dem EU-Austritt grundsätzlich zum Drittstaat. Denkbar ist aber auch dessen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum und damit weitgehend die Teilnahme am EU-Binnenmarkt oder der Beitritt zum Europäischen Freihandelsabkommen (EFTA), um unter anderem weiterhin an der Freihandelszone für den grenzüberschreitenden Warenverkehr zwischen EU, Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz teilzunehmen. Dadurch könnte Großbritannien einige der steuerlichen Privilegien beibehalten, die das Land als EU-Mitglied derzeit noch genießt, müsste jedoch den damit verbundenen, explizit mit der Volksabstimmung abgelehnten Verpflichtungen aus den Grundfreiheiten der EU weiterhin nachkommen.

Wie auch immer sich der Austritt vollzieht, es ist abzusehen, dass sich für die deutsch-britischen Beziehungen in der Anwendung des deutschen Steuerrechts grundlegende Änderungen ergeben werden. Diese gilt es frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können und unnötige Steuerlasten zu vermeiden.

Umsatzsteuer

  • Bislang steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen werden im Fall einer Drittstaatenregelung zu Ausfuhrlieferungen, für deren Umsatzsteuerbefreiung strengere
  • Nachweispflichten gelten.
  • Analog wären bislang steuerfreie innergemeinschaftliche Erwerbe fortan Einfuhren, für die allerdings Einfuhrumsatzsteuer und Zölle anfallen, sofern keine
  • Befreiungsvorschrift greift.
  • Die Vereinfachungsregelung des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts entfällt bei Beteiligung eines Unternehmers in Großbritannien.
  • In verschiedenen Konstellationen könnte sich für britische Unternehmer die Pflicht zur umsatzsteuerlichen Registrierung in Deutschland ergeben, ebenso wie für deutsche Unternehmer die Registrierungspflicht in Großbritannien.
  • Die Unternehmereigenschaft eines in Großbritannien ansässigen Unternehmers kann nach dem „Brexit“ nicht mehr anhand der europäischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer überprüft werden. Hierfür wird künftig die Einholung anderer Nachweise, wie einer Bescheinigung der britischen Behörde, notwendig sein.

Ertragssteuern

Für natürliche Personen sind folgende ertragsteuerlichen Regelungsbereiche betroffen:

  • Für Familienmitglieder, die in Großbritannien leben, könnte die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht entfallen.
  • Bestimmte Steuerbefreiungsvorschriften mit Bezug auf eine EU-Mitgliedschaft können entfallen.
  • Nach Großbritannien verzogene, ehemals in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige, die der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz unterlegen haben und deren Steuerschuld auf Grund des Wegzugs in die EU gestundet wurde, müssen befürchten, dass die Voraussetzung für die Stundung entfällt und die Steuern fällig werden.
  • Bei der Erbschaftsteuer dürften Vergünstigungsregelungen beispielsweise für Unternehmensvermögen in Großbritannien entfallen.
  • Für Verluste aus Einkünften, die aus Großbritannien stammen, ist zu erwarten, dass sie künftig nur noch mit positiven Einkünften derselben Art und desselben Staates ausgeglichen werden dürfen. Die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Sonderausgaben wird versagt, wenn Großbritannien Drittstaat wird.
  • Unternehmer mit Betriebsstätten in Großbritannien sind infolge des Brexit gezwungen, grenzüberschreitende Überführungen von Wirtschaftsgütern wie Veräußerungen zu versteuern. Die sogenannte Entstrickungsbesteuerung beinhaltet – innerhalb der EU – die Möglichkeit, einen Ausgleichsposten zu bilden, durch den die Besteuerung gleichmäßig auf mehrere Jahre verteilt wird und nicht auf einmal zu Buche schlägt. Ob bereits gebildete Ausgleichsposten mit dem Brexit vollständig aufzulösen sind, ist fraglich.

Kapitalgesellschaften sind dagegen wie folgt betroffen:

  • Für die als englische Limited gegründeten Gesellschaften könnte der Brexit zur persönlichen Haftung der Gesellschafter führen. Denn mit dem EU-Austritt ist grundsätzlich anzunehmen, dass die sogenannte Sitztheorie wieder gilt: Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland gelten nicht als haftungsbeschränkte Einheit, wenn sie nicht wirksam nach deutschem Recht gegründet wurden. Das heißt, gesellschaftsrechtlich existiert die Limited dann gegebenenfalls nicht mehr. In der Konsequenz würden die Gesellschafter der Limited nach GbR- oder OHG-Grundsätzen haften.
  • Die Mutter-Tochter-Richtlinie ist nicht mehr anwendbar, das heißt die Doppelbesteuerung von Dividenden zwischen deutschen und britischen Gesellschaften wird durch Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens vermieden. Das zieht unter Umständen Liquiditätsnachteile aber vor allem Verwaltungsaufwand nach sich.
  • In diesem Zusammenhang ist zu erwarten, dass das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg für Dividenden von britischen Tochtergesellschaften nicht mehr anwendbar ist. Eine Steuerbefreiung zu erreichen bedarf in diesem Fall der Erfüllung der sogenannten Aktivitätsvorbehalte des Doppelbesteuerungsabkommens bzw. des Gewerbesteuergesetzes.
  • Ähnliches gilt für die entfallende Anwendbarkeit der Zins- und Lizenzrichtlinie.
  • Grenzüberschreitende Umstrukturierungsmaßnahmen sind mit dem Wegfall der Fusionsrichtlinie grundsätzlich nicht mehr steuerneutral möglich.
  • Für Verluste aus Einkünften, die aus Großbritannien als Drittstaat stammen, ist zu erwarten, dass sie künftig nur noch mit positiven Einkünften derselben Art und desselben Staates ausgeglichen werden dürfen.
  • Auch für Kapitalgesellschaften gilt es ebenfalls, die Entstrickungsbesteuerung zu beachten, siehe obige Ausführungen zu den natürlichen Personen.

Wenn Sie oder Ihr Unternehmen Geschäftsbeziehungen nach Großbritannien pflegen oder planen, empfehlen wir Ihnen, sich rechtzeitig mit den steuerlichen Auswirkungen auseinanderzusetzen.