7. Februar 2024

Keine umsatzsteuerliche Durchschnittssatzbesteuerung bei Verzicht auf Lieferrecht

Der Verzicht eines Landwirts auf
ein vertragliches Lieferrecht gegen Abfindung unterliegt nicht der
Durchschnittssatzbesteuerung für Land- und Forstwirte, sondern wird dem
Regelsteuersatz von 19 % unterworfen.

Hintergrund: Landwirte,
deren Umsatz im Vorjahr 600.000 € nicht überschritten hat, können die
sog. Durchschnittssatzbesteuerung anwenden. Ihre land- und
forstwirtschaftlichen Leistungen unterliegen dann einer Umsatzsteuer von 9 %.
Im Gegenzug wird eine pauschale Vorsteuer von 9 % berücksichtigt (Jahr 2023; im
Jahr 2024 sinkt der Durchschnittssatz auf 8,4 %). Im Streitjahr 2013 betrug der
Durchschnittssatz 10,7 %.

Sachverhalt: Der Kläger
war Landwirt und schloss im März 2011 mit einer KG einen Liefervertrag über die
regelmäßige Lieferung von Gemüse. Im Mai 2013 hoben der Kläger und die KG den
Liefervertrag auf. Der Kläger erhielt hierfür eine Abfindung i.H. von 110.000
€ zzgl. der 2013 gültigen Umsatzsteuer (Durchschnittssatz) von 10,7 %,
insgesamt also 121.770 €. Das Finanzamt erkannte den Durchschnittsatz
nicht an, sondern setzte den Regelsteuersatz von 19 % an.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hielt den Regelsteuersatz von 19 % für zutreffend und
wies die Klage im Grundsatz ab:

  • Hätte die Klägerin das Gemüse
    geliefert, hätte die Lieferung dem im Jahr 2013 geltenden
    Durchschnittssteuersatz von 10,7 % unterlegen. Die Klägerin hat das Gemüse aber
    nicht geliefert, sondern hat gegen Entgelt auf ihr Recht, Gemüse entgeltlich zu
    liefern, verzichtet.

  • Zwar wird die Aufhebung eines
    Vertrags grundsätzlich genauso umsatzsteuerlich behandelt wie die vertraglich
    vereinbarte Leistung; denn bei der Aufhebung handelt es sich um den
    gegenläufigen Vorgang. Dies gilt aber nicht, wenn die Leistung, die im Verzicht
    liegt, nicht dem Zweck der Umsatzsteuervergünstigung dient.

  • Die Vergünstigung, die in der
    Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG liegt, gilt nach dem europäischen
    Mehrwertsteuerrecht nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und
    Dienstleistungen; sie gilt aber nicht für den Verzicht auf eine Lieferung
    landwirtschaftlicher Erzeugnisse bzw. auf eine landwirtschaftliche
    Dienstleistung.

  • Der Durchschnittssteuersatz
    wird im Übrigen auch deshalb gewährt, weil die Lieferung landwirtschaftlicher
    Erzeugnisse typischerweise zu einer entsprechenden Vorsteuerbelastung führt;
    aus diesem Grund wird i.H. des Durchschnittssatzes ein gleich hoher
    Vorsteuersatz pauschal gewährt. Bei einem Verzicht auf ein Lieferrecht gibt es
    vorher aber keine Eingangsleistungen (z.B. Einkäufe), die typischerweise
    vorsteuerbelastet sind.

Hinweise: Zwar hat der
BFH den Durchschnittssteuersatz abgelehnt, sodass das Entgelt für den Verzicht
einem Umsatzsteuersatz von 19 % unterliegt. Der BFH hat die Sache jedoch an das
Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen; denn es muss nun prüfen,
ob die Klägerin Vorsteuer für Eingangsleistungen geltend machen kann, die mit
dem Verzicht im Zusammenhang stehen.

Das Urteil des BFH wirkt sich nur
auf das Entgelt für den Verzicht aus, nicht aber auf die landwirtschaftlichen
Lieferungen der Klägerin. Diese werden unverändert mit dem
Durchschnittssteuersatz besteuert; in gleicher Höhe wird eine pauschale
Vorsteuer gewährt.

Quelle: BFH, Urteil vom 23.8.2023
– XI R 27/21; NWB