19. April 2024

Werbungskostenabzug von Prozesskosten zwecks nachehelichen Unterhalts

Prozesskosten, die getätigt werden,
um einen höheren nachehelichen Unterhalt zu erlangen, sind nicht als
Werbungskosten absetzbar, wenn der Unterhaltsverpflichtete für das
Unterhaltsjahr noch keinen wirksamen Antrag auf Abzug der Unterhaltszahlungen
als Sonderausgaben gestellt hat. Denn erst wenn dieser Antrag wirksam gestellt
worden ist und der Unterhaltsberechtigte dem Antrag zugestimmt hat, werden die
Unterhaltszahlungen steuerlich relevant und gehören nicht mehr zur privaten
Lebensführung; dies gilt dann auch für die Prozesskosten.

Hintergrund:
Unterhaltszahlungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden
Ehegatten sind bis zu einem Betrag von 13.805 € jährlich als
Sonderausgaben abziehbar, wenn der Unterhaltsberechtigte zustimmt. Der
Unterhaltsberechtigte muss dann die Unterhaltszahlungen entsprechend als
sonstige Einkünfte versteuern, maximal bis zu einem Betrag von 13.805 €.

Sachverhalt: Der E wurde
2014 von der Klägerin geschieden und verpflichtet, einen monatlichen Unterhalt
von 582,50 € zu zahlen. Die Klägerin begehrte anschließend höheren
Unterhalt. Im März 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich zustande, nach dem E
nun 900 € Unterhalt monatlich zahlen musste. Der Klägerin entstanden
aufgrund dieses Vergleichs Anwalts- und Gerichtskosten im Jahr 2015, die sie
als außergewöhnliche Belastungen geltend machte. Die Einnahmen aus dem
Unterhalt in Höhe von 10.800 € (12 x 900 €) erklärte die Klägerin
als sonstige Einkünfte und zog hiervon die Werbungskostenpauschale für
Versorgungsbezüge von 102 € ab. Das Finanzgericht (FG) erkannte in der
ersten Instanz die Aufwendungen teilweise als Werbungskosten bei den sonstigen
Einkünften an, soweit sie den Pauschbetrag von 102 € überstiegen.
Hiergegen legte das Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Entscheidung: Der BFH
erkannte die Prozesskosten nicht als Werbungskosten an, hat die Sache aber zur
weiteren Aufklärung an das FG zurückverwiesen:

  • Werbungskosten sind
    Aufwendungen, die durch die Erzielung von Einkünften veranlasst sind.
    Unterhaltszahlungen sind beim Unterhaltsberechtigten sonstige Einkünfte, soweit
    der Unterhaltsverpflichtete sie als Sonderausgaben bis zur Höhe von maximal
    13.805 € jährlich geltend macht und der Unterhaltsberechtigte dem
    zustimmt.

  • Zwar könnten die Prozesskosten
    durch die Unterhaltsleistungen veranlasst sein, weil der Prozess dazu diente,
    höhere Unterhaltsleistungen zu erhalten. Jedoch gehören Unterhaltszahlungen
    grundsätzlich zum Privatbereich. Erst durch den Antrag des
    Unterhaltsverpflichteten
    , der den Antrag stellt, die
    Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben geltend zu machen, und durch die
    Zustimmung des Unterhaltsberechtigten, der die Unterhaltszahlungen im Gegenzug
    als sonstige Einkünfte versteuern muss, werden die
    Unterhaltszahlungen in den steuerlichen Bereich überführt
    .
    Sobald also der Unterhaltsverpflichtete seine Einkommensteuererklärung
    einreicht und die Zustimmung des Unterhaltsberechtigten auf dem entsprechenden
    Formular beifügt, kommt es zu einer rechtsgestaltenden
    Umqualifizierung der Unterhaltszahlungen
    , die nun steuerbar
    werden. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Unterhaltszahlungen steuerlich irrelevant.

  • Solange der
    unterhaltsverpflichtete E seine Einkommensteuererklärung für 2015, in der er
    die Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben mit Zustimmung der Klägerin
    steuerlich geltend macht, noch nicht abgegeben hat, können Prozesskosten daher
    keine Werbungskosten sein. Die Einkommensteuererklärung des E für 2015 kann
    erst im Jahr 2016 abgegeben worden sein; hingegen sind die Prozesskosten der
    Klägerin bereits im Jahr 2015 entstanden und betrafen zu diesem Zeitpunkt die
    private Lebensführung der Klägerin.

  • Der BFH hat den
    Werbungskostenabzug zwar abgelehnt. Das FG muss nun aber prüfen, ob die
    Prozesskosten als außergewöhnliche
    Belastungen
    geltend gemacht werden können; dies hängt nach
    dem Gesetz insbesondere davon ab, ob die Klägerin ohne den Unterhaltsprozess
    Gefahr gelaufen wäre, ihre Existenzgrundlage
    zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen
    nicht mehr befriedigen zu können.

Hinweise: Eine
nachträgliche Umqualifizierung der Prozesskosten, die im Jahr 2015 die private
Lebensführung betrafen, in vorweggenommene Werbungskosten, nachdem der E die
Unterhaltszahlungen mit Zustimmung der Klägerin als Sonderausgaben geltend
gemacht hat, wird vom BFH abgelehnt.

Unbeachtlich war, dass der E seine
Unterhaltszahlungen an die Klägerin in den Vorjahren als Sonderausgaben geltend
gemacht hat. Zwar kann die Zustimmung der Klägerin zum Sonderausgabenabzug des
E über mehrere Jahre hinweg gültig sein; der Antrag des E kann aber jeweils nur
für ein Kalenderjahr gestellt und nicht zurückgenommen werden. Daher wirkte der
für das Vorjahr 2014 gestellte Antrag im Streitjahr 2015 nicht fort.

Der Abzug von Unterhaltsleistungen
und die gleichzeitige Versteuerung durch den Empfänger nennt man Realsplitting.
Der Empfänger erleidet zwar einen steuerlichen Nachteil; dieser Nachteil wird
jedoch durch eine entsprechend höhere Unterhaltszahlung ausgeglichen. Für den
Unterhaltsverpflichteten kann sich hieraus ein Vorteil ergeben, wenn sein
Steuersatz höher ist als der Steuersatz des Unterhaltsempfängers.

Quelle:
BFH, Urteil vom 18.10.2023
– X R 7/20; NWB